PlattenkritikenPressfrisch

FLAMING ROW – The Pure Shine

~ 2019 (Progressive Promotion Records) – Stil: Progressive/Art Rock ~


„Gut Ding will Weile haben“ oder „was lange währt, wird endlich gut“ hat sich wohl auch das Songwriter-Duo Martin Schnella und Melanie Mau gedacht, und so sind mittlerweile geschlagene fünf Jahre seit dem letzten FLAMING ROW-Album `Mirage – A Portrayal Of Figures` ins Land gezogen. Meine Herren, wie die Zeit vergeht. Aber das Warten hat sich gelohnt, verzaubern die Progger doch mit einem bunten und sehr vielfältigen Strauß an herrlichen Kompositionen. Basierend auf Stephen Kings Mammutwerk „The Dark Tower“ und eingebettet in insgesamt sechs Songs mit einer Gesamtspielzeit von über 70 Minuten, erzählt das Konzeptalbum die Geschichte des Protagonisten Jake.

Ein knapp fünfminütiger Prolog namens `A Tower In The Clouds` eröffnet mit wunderschönen Piano- und Flötenklängen, sowie tollen Kanon-Gesängen das neue Epos `The Pure Shine`. Und der erste „richtige“ Titel `The Last Living Member` entpuppt sich sogleich als echte Wundertüte. Denn nach balladeskem Beginn schlägt das Lied nach und nach härtere Töne an und überschreitet ab und an sogar die Schwelle zum Progressive Metal. Diesbezügliche Parallelen sind auch in den noch folgenden vier Stücken deutlich zu erkennen. Das bereits vorab als Appetizer veröffentlichte `Jake’s Destiny` indes hat seine besten Momente im großartigen, folkloristischen Mitteltel und den sehr harmonischen, akustischen Gitarrenklängen – wirklich sehr packend und ergreifend.

Viel Zeit und Muse sollte man in `The Pure Shine` allerdings schon investieren, denn die langen und oft ausufernden Instrumentalpassagen erschließen sich meist erst nach mehreren Durchläufen, lassen den Zuhörer dann aber mehr und mehr Neues entdecken. Wie auch beim Beginn der zweiten Halbzeit in Form von `The Sorcerer`. Eine wirklich tolle, monumentale und epische Reise in die Welten progressiver Musik jeglicher Form. Alles in allem vielleicht sogar der härteste Song des Albums. Das abschließende Duo `The Final Attempt` und `The Gunslinger’s Creed` überrascht sogar mit Saxophon oder, neben dem ständig zwischen male und female wechselnden Gesang, tollen gesprochenen Passagen, die die Geschichte dieses Konzeptalbums wunderschön zu Ende erzählen.

Was ich hier natürlich nicht verschweigen möchte, ist die hochkarätige Liste an Gastmusikern, die sich auf diesem Album die Ehre geben. So zum Beispiel Glynn Morgan (THRESHOLD), Johan Hallgren (PAIN OF SALVATION), Dave Meros (SPOCK’S BEARD) oder Eric und Nathan Brenton (NEIL MORSE), um nur einige wenige zu nennen. Musikalisch sehe ich `The Pure Shine` sehr nahe an englischen Progressive- und Artrock-Kapellen wie zum Beispiel ARENA oder PENDRAGON sowie den deutlich härteren THRESHOLD, verfeinert mit einer gewaltigen Portion Irish-Folk und dessen Genre-typischen Geigen- und Flötenklängen – VERY BRITISH eben!!! Da ich mich bezüglich der Punktzahl einfach nicht entscheiden kann, greife ich ausnahmsweise einmal auf eine 0,25er-Bewertung zurück… Runde Scheibe, ähm Sache!!!

(8,25 Punkte mit steigender Tendenz)

Armin Schäfer
8.12.2019

 

 

In den vergangenen Jahren brannte das Feuer von FLAMING ROW geradezu auf Sparflamme. Mastermind Martin Schnella widmete sich in diesen Jahren lieber seiner Lebensgefährtin Melanie Mau und ihrem gemeinsamen Projekt, das in dieser Zeit geradezu unzählige Coverversionen und zwei Longplayer abwarf. 2019 ist es endlich soweit. FLAMING ROW präsentieren eine weitere Rock Oper, basierend auf der achtbändigen Fantasy-Saga „The Dark Tower“ von Stephen King. Das Konzept katapultiert die Hörerschaft umgehend in den ersten Romanband „Schwarz“, dreht sich letztlich alles um den „Man in Black“.

FLAMING ROW haben über die Jahre ihres Bestehens eine beträchtliche Entwicklung durchlaufen. Dem Prog Metal haben sie mittlerweile nahezu abgeschworen, eine Entwicklung, die sich bereits auf dem Vorgänger andeutete. Aktuell sind sie nahezu vom Progressive Rock vereinnahmt, der einen großen Anteil an folkloristischer Ausprägung beinhaltet. Die Coverversionen des Duos Melanie Mau/Martin Schnella gaben dahingehend bereits einen Fingerzeig. Dass Melanie Mau die ehemalige Sängerin Kiri Geile am Lead-Gesang ganz ablöst, da diese 2016 die Gruppe offiziell verlassen hat, war ebenso zu erwarten wie die musikalische Ausrichtung.

Gleichwohl zeigen sich FLAMING ROW mit ´The Pure Shine´ als international hochklassige Formation. Ihre „Progressive Rock Opera“ muss daher bei über 73 Minuten als ein fließender und vielteiliger Song aufgefasst werden, denn im Gegensatz zur Konkurrenz sind die einzelnen sechs Kompositionen, die teilweise ebenfalls nochmals unterteilt sind, oftmals keine Songs im klassischen Sinne, schließlich gibt es nur den einen Refrain, der sich immerfort über das Werk hinweg wiederholt: „He’s the Man in Black, fled across the desert.“

Das Werk findet über das fünfminütige ´A Tower In The Clouds´ seine Einleitung. Im Sinne einer Ouvertüre spielen Klavier und Streicher die fortan dem „Man in Black“ zugewiesene Titelmelodie. Nach und nach fügt sich das sinfonische Bild zusammen, zu dessen Schöpfern auch Marek Arnold (Saxofon, Klavier, Organ, Mellotron, CYRIL, SEVEN STEPS TO THE GREEN DOOR, TOXIC SIMLE) zu zählen ist, ehe der Song in einen bombastischen Aufmarsch gelangt, den jeder Gourmet der Verwandtschaft von TRANSATLANTIC oder SPOCK’S BEARD zuweisen kann. Schlussendlich singen Melanie Mau und Martin Schnella im Kanon erst einmal zur Begrüßung den Album-Refrain.

Das zwölfminütige ´The Last Living Member´ führt über die Akustikgitarre, Streicher und das Klavier, in dieser Reihenfolge, endgültige in den Ablauf der Rock Oper ein. In diesen ruhigen Momenten hat Alexander Weyland (TRAUMHAUS) seinen ersten Auftritt, abwechselnd mit Melanie Mau am Mikrofon. Ein satter Bass und das Klavier tragen den Song in Sphären, die alldieweil solche von AYREON erreichen und mit entsprechenden Riffs düsteren Prog Metal beherbergen. Mathias Ruck, Glynn Morgan (THRESHOLD) und Johan Hallgren (PAIN OF SALVATION) kommen gemäß dem Anspruch einer Rock Opera ebenfalls zu ihrem Einsatz als Sänger. Nach einer ausklingenden Stimmung wallt der Song wiederholt im Sinne von RAINBOW und Kollegen – oder Nikolo Kotzevs Rock Oper NOSTRADAMUS – auf. Der „Man In Black“ darf in Erlöser-Gestimmtheit zu Akustikgitarre und dann zum Klavier vorgetragen werden.

Im fünfzehminütigen ´Jake’s Destiny´ zieht alles über die leuchtende Prärie bis zu dem Punkt, an dem sich das Lied über Streicher- und Flöteneinlagen im fröhlichen Folk-Tanz auflöst und in einen flammenden Instrumental-Abschnitt übergeht. Psychedelisch-indische Anklänge, sinfonischer Folk-Prog führen zum „Man in Black“, der alsbald im siebzehnminütigen ´The Sorcerer´ zu hören ist. Ab diesem Moment erhöhen die Musiker jedoch den Härtegrad der Komposition. Dunkelheit und Feuer erwarten nun den „Man in Black“. Die progmetallische Spielweise mündet in den kompositionellen Mittelpart, der an KANSAS gemahnt.

Feierlich zeigt sich mit ´The Final Attempt´ ein auch für sich allein stehender Song, der vom Gesang von Mathias Ruck und Glynn Morgan, und vom Saxofon Marek Arnolds bereichert wird, ehe ein ur-typischer DREAM THEATER-Abschnitt erklingt. Kanonartiger Gesang beschließt dieses Kapitel. Immer wieder verhallt der Gesang in akustischer Darbietung, so zu Beginn des finalen ´The Gunslinger’s Creed´. Sinfonisch schwingt sich das Lied in die letzten fünfzehn Minuten. Eine musikalische Tanzeinlage wird mit Flöten folkloristisch fortgeführt und nach dem Vorbild von ´The Last Living Member´ wiederum der „Crimson King“ angerufen. Zwischenzeitlich erreicht das Ensemble nochmals AYREON-Welten. Abschließend wird der „Man in Black“ zur Akustikgitarre, zur Streichergruppe und im Chor besungen. „Der Dunkle Turm“ ist gerettet.

FLAMING ROW agieren weit weniger songorientiert wie AYREON und AVANTASIA und längst anspruchsvoller als letztgenannte Formation. Ihren musikalischen Horizont haben sie erweitert. Sie sind zudem der heimischen Konkurrenz von SEVEN STEPS TO THE GREEN DOOR um einen Schritt voraus. Sofern sich die langjährige Anhängerschaft mit der musikalischen Ausrichtung und dem Ensemble-Update anfreunden kann, sollte die Liebe zu FLAMING ROW weiter wachsen.

(8,5 Punkte)

Michael Haifl
19.12.2019

 

https://www.facebook.com/flamingrow
http://www.gray-matters.de