Livehaftig

TRUE THRASH FEST HAMBURG

~ 23.11.2019, Kulturpalast, Hamburg ~


Wir hatten ja schon im Vorfeld über das erste True Thrash Fest berichtet und die Zeit bis zu jenem Tag verflog geradezu. Die DB hatte es an diesem 23.11. gut mit mir gemeint und hielt sich strikt an ihren Fahrplan. Punktgenaue Landung in Hamburg. Ich war selbst überrascht.

Der Warm-Up-Gig am Vorabend war laut fachlich kompetenten Leuten ein guter Anheizer für den echten Festival Tag. Die Bandbestätigungen für die erste Ausgabe des ursprünglich in Japan entstanden Festivals konnte einem Thrash-Fan schon den Atem nehmen: AT WAR, TOXIK, BLOOD FEAST und als Headliner die kanadische Abrissbirne RAZOR. Als Newcomer durften EXCUSE und RIVERGE ran.

Pünktlich gegen 16 Uhr legen die Finnen EXCUSE los. Die erste Show der jungen Truppe auf deutschem Boden überhaupt. Die vier Bartträger aus Helsinki geben gleich mächtig Gas und liefern einen eher simplen Thrash Metal mit breiter Old School Schlagseite. Neues hört man nicht, aber Bewährtes in guter Qualität und dennoch wirkt das Material unspektakulär. Zu gleichförmig wirken die Stücke insgesamt.

Aber dafür macht man guten Alarm in Sachen Stage Acting. Die sechs Stücke des Auftritts entstammen weitgehend von dem im Sommer veröffentlichten Debüt `Prophets From The Occultic Cosmos` und überraschend von der 2018 veröffentlichten Kompilation namens `Visions Of The Occultic Cosmos`. Netter Einstieg zum Warmbangen, da sehen auch die Anwesenden so und geben mehr als Höflichkeitsapplaus.

Mit RIVERGE steht als nächstes eine japanische Truppe auf der Bühne und spielt hier ihren ersten europäischen Gig überhaupt. Die Band ist mir nur vom Namen her bekannt. So lass ich mich in musikalischer Hinsicht überraschen. RIVERGE sind grundsätzlich sehr schnell und haben einen nicht unerheblichen Punk-Hardcore Einfluss in ihren kurzen radikalen Stücken. Der Gesang ist eher monoton und eher Geschrei. Sänger Shoji Nakamura ist Blickfang der Band mit seinen langen weiß-blond gefärbten Haaren und dem Beanie auf dem Kopf.

Dazu ist er barfuß auf der Bühne unterwegs und legt ein paar Meter auf dieser zurück. In 45 Minuten hämmert man 13 Songs raus. Selbstredende Fakten. Mit der Zeit wird trotz des aktiven Stage Actings die Kiste aber auch monoton, weil sich die Stücke nur unwesentlich unterscheiden. Die Stücke, die eine deutlich weniger punkige Ausrichtung haben, sind ganz klar dem old schooligen Thrash Metal zu zuordnen. Der Auftritt ist ok, aber im Gesamtkontext des Festivals der am wenigsten überzeugende Auftritt.

AT WAR sind die nächsten. Bandleader, Sänger und Bassist Paul Arnold hatte am Tag zuvor Geburtstag und ließ es da natürlich nach eigenen Aussagen krachen. Für das macht er aber einen ziemlich fitten Eindruck. AT WAR machen keine Gefangenen.

Das Trio legt von der ersten Minute an kompromisslos vor. Man hat ja nicht wenige „Kultsongs“ im Gepäck. Gleich als zweiten Track haut man `Ordered To Kill` raus. Dass bei `Ilsa (She-Wolf Of The S.S.)` die Banger und Mosher vor der Bühne brachial mitbrüllen ist so gesehen kein Wunder. Man ackert sich souverän durch eine kurze Setlist und lässt zur allgemeinen Überraschung das legendäre MOTÖRHEAD beeinflusste `The Hammer` außen vor. Auch ich bin da etwas irritiert, muss ich zugeben, ist der Song eigentlich ein „Muss“ bei einem AT WAR-Auftritt.

Nummern wie `At War`, `Rapechase` und natürlich `Eat Lead` hieven die Stimmung bei den Fans derweil auf ein Ausrastlevel, die die Amis mit „At War“-Rufen anfeuern. Das Trio gibt wirklich Vollgas und beendet seinen Auftritt zehn Minuten früher als geplant. Ein Umstand, der selbstredend ist!

BLOOD FEAST müssen da schon schwer ackern, um die Stimmung auf dem hohen Level zu halten. Aber das tun sie mit einer überraschenden Leichtigkeit. Denn warm gespielt sind sie noch vom Vorabend, wo sie die Warm-Up-Show als Headliner mit einem `Kill For Pleasure`-Set spielten.

Ich bin ja nicht der große BLOOD FEAST-Fan, aber ich muss gestehen, was die Herren hier abliefern ist bombig. Bewegungsreiches Stageacting, tighte Spielweise und eine ziemlich coole Setlist machen echt Spaß. Vor der Bühne tobt der Bär. Das spornt die Amis zusätzlich an und mit Stücken wie `Face Fate`, `Chopping Block Blues`, `Hunted. Stalked And Slain` oder `Kill For Pleasure` hat man ein paar Asse im Ärmel.

Kurzum, BLOOD FEAST liefern ein krachendes Thrash Metal Gewitter ohne große Qualitätsschwankungen. Die schwitzende Meute vor der Bühne absorbiert die Energie die von der Band ausgeht geradezu und bangt sich komplett einen ab.

In Sachen TOXIK standen ja schon im Vorfeld einige Fragezeichen im Raum. U.a. sind die zuletzt publizierten Musiker noch dabei etc…  Am Abend zuvor waren TOXIK auch ein Teil der Warm-Up-Party und spielten dort das `World Circus`-Album in kompletter Länge. Anwesende sprachen von einer Killer-Performance und schwärmten von Sänger Ron Iglesias, ex-XENOPHILE, der einen perfekten Gig hingelegt haben muss.

Wie im Vorfeld schon angekündigt, spielen TOXIK hier auf der TTF-Bühne ihr zweites Album `Think This`. Von der ersten Minute an haut es einen förmlich um. Mit welch einer Power und Energie die Herren die Songs abarbeiten, ist mehr als nur beeindruckend. Das liegt ganz klar an der Gitarrenarbeit von Bandgründer Josh Christian, aber der wahre Star ist Sänger Ron Iglesias. Keine Frage, hier und da kommt er nicht ganz in die absoluten Höhen, aber seine generelle Performance ist fantastisch. Er ackert und singt dabei so locker Tonlagen, die einen umfegen.

Der ganze Auftritt wirkt wie aus deinem fetten Guss. Da passt alles, da klingt alles brutal heavy und dementsprechend geht es vor der Bühne ab. Das war ein ganz klares Statement für die weiteren Shows, die TOXIK noch im Anschluss an das TTF spielen (u.a. 26.11. Frankfurt/Elfer Club, 27.11. Essen/Turock und einige NL-Shows). Sollte man sich gönnen. Da geht was.

Die Stimmung ist derweil in dem Laden auf einem enorm hohen Level angekommen. Alles wartet gespannt auf den Headliner. Es ist ja nicht so, dass RAZOR in all ihren Jahren oft in Europa gespielt haben. Der Gig beim TTF ist erst der vierte auf deutschem Boden. Dass die Band um den fast blinden Gitarristen Dave Carlo auf nicht wenige Klassikeralben zurückblicken kann, erzeugt noch einmal Spannung, denn man darf auf eine Killer-Setlist hoffen. Und die Band lässt sich nicht lumpen.

Vom ersten Ton an heißt die Devise: Totaler Abriss! `Cross My Fools` ist ein satter Einstieg, aber dass man als zweiten Song gleich `Iron Hammer` liefert, lässt alle Dämme brechen. Vor der Bühne geht der sogenannte Punk ab. Man arbeitet sich grandios durch den frühen Veröffentlichungskatalog. `Cut Throat`, `Violent Restitution`, ein mörderisches `Hot Metal`. Dann das Unfassbare … Dave Carlo lässt sich von der Bühne runter in die bangende Menge führen, während man derweil `Instant Death` runterprügelt! Der blinde Gitarrist, nur geschützt durch einen Security-Mann, steht vor der Bühne, umringt von wild bangenden, moshenden Metalheads … Unfassbar!

Zurück auf der Bühne geht es weiter mit `Gatecrasher`, `City Of Damnation` etc… Das große Finale steht mit `Take This Torch` sowie `Evil Invaders` an. Bassist Mike Campagnolo ist eine echte Rampensau. Bangt was das Zeug hält, während Reibeisenstimme Bob Reid wie immer die coolste Sau der kanadischen Legende ist. Locker, fast schon emotionslos schreit er seine Texte raus und gewinnt dennoch Sympathiepunkte durch sein unnahbares Verhalten. RAZOR killen mit jedem Song. Ein fucking unglaublicher Abriss! DANKE!

Das erste TTF ist geschafft. Erfolgreich, super organisiert. Eine absolute Empfehlung. Getränkepreise selbst für den kleinen Geldbeutel fair, TTF-Merchpreise extrem fanfreundlich, wobei die 100 Festival-Shirts ruck-zuck ausverkauft waren. Der kleine Metalmarkt war zudem eine nette Sache.

Coole Location, super Sound, angenehme Menschen. Einzig die Sache mit den Signing-Sessions ist noch nicht ausgereift und der Standort nur suboptimal, so dass nicht viele das mitbekommen haben. Diese Signing-Sessions sollte man eventuell woanders platzieren, als im unteren Bambi Galore. Ansonsten ein echtes Lob an die Veranstalter, die hoffentlich dieses Konzept auf diesem guten Niveau weiterführen. Es war ein Fest.