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BLOOD INCANTATION – Hidden History Of The Human Race

~ 2019 (Century Media) – Stil: Progressive Death Metal ~


´Starspawn´, das Debütalbum von BLOOD INCANTATION aus dem Jahr 2016, war eines der bemerkenswertesten Death Metal-Statements dieses Jahrzehnts, auch wenn es offenbar niemand so richtig wahrhaben wollte. Bei all seinen Zwischenraumerkundungen zum Genre fand das Quartett aus Denver, Colorado, dabei bereits einen famosen Mittelweg zwischen seinen außerirdischen Themen und seiner unterirdischen Ästhetik. Furchtlose Reisende und Navigatoren der Astralebene. Höhlenhaft, aber dennoch jenseits von dieser Welt. ´Hidden History Of The Human Race´ geht einen ähnlichen Weg wie vor drei Jahren, allerdings mit deutlich mehr Klarheit und Polarität.

BLOOD INCANTATION nehmen darauf klassische Death Metal-Sounds auf, drängen sie straight in den Kosmos und fügen etliche proggy Tricks durch die Taktart und durch expansive Songlängen hinzu. Mit nur ganzen vier Stücken, die in zügigen 36 Minuten herunterlaufen. Die Band hat dabei noch nie so bewusst progressiv geklungen, die Atmosphäre ist noch unheimlicher, und die Riffs überspannen das Death Metal-Spektrum bei weitem. Böse schallende Akustikgitarren. Absurd komplizierte Basslines. Sound-Washes im Ambient-Style. Aber BLOOD INCANTATION benutzen all das nicht etwa, um einen erst langsam damit einzuwickeln und reinzuziehen – sie werfen einen direkt in den Strudel hinein!

Das Album bricht dann auch ohne jede Vorwarnung mit dem mächtigen ´Slave Species Of The Gods´ aus sich heraus. Es ist ein rifflastiger, hängender Track, mit einigen kurvigen Gitarrensoli, tief-knurrendem Gesang, und besticht vor allem durch seine Presslufthammer-Blast-Beats und sein trickreiches Nadel-Riffing. Auf dem darauffolgenden ´The Giza Power Plant´ beginnt die Band dann verstärkt, verschiedene Texturen zu erforschen. Das Tempo schwankt fortweg, und die gesprochenen Vocals überlagern den Höhepunkt des Songs, während die Geschwindigkeit wieder einmal massiv gedrosselt wird. Jede Wendung, jeder Zusammenbruch, jeder Moment abgründigster Schwere und jeder plötzliche Gangwechsel wirkt hierbei überlegt und auf Genaueste einstudiert.

Die das Cover schmückende Bruce Pennington-Kunst der 70er Jahre zeigt zudem einen Großteil dessen, was BLOOD INCANTATION, und im weitesten Sinne ´Hidden History Of The Human Race´, ausmacht: eine missgebildete, außerirdische Kreatur inmitten einer zerstörten Welt, mit Blick nach außen und polymorpher Geometrie im Vordergrund. Das Metal-Genre ist voll von solchen Bildern – und BLOOD INCANTATION schwelgen geradezu darin.

Death Metal wurde aus seinem eigenen Ethos heraus geboren. In den frühen 90ern etablierten die Bands eine Art von Musik, die immer schneller und aggressiver sein sollte, als alles andere zuvor. Der Ausrichtung von BLOOD INCANTATION ist diese Ideologie hingegen ein Gräuel, denn ihre Einstellung zum Death Metal ist weit weniger klinisch. Das auf eine verzweigte, 18-minütige Laufzeit ausgedehnte Epos ´Awakening From The Dream Of Existence To The Multidimensional Nature Of Our Reality (Mirror Of The Soul)´ fühlt sich einfach grenzenlos menschlich, unvollkommen seltsam, aber dennoch chaotisch an. Sie verwenden dabei zwar jegliche Ingredienzen, die den Death Metal schon von jeher ausmachen – die gruftigen Echo-Rülpser, die technische Zauberei, den dröhnenden Ansturm des Double-Bass – aber sie benutzen sie, um einfach nur so groß zu klingen wie nur möglich.

´Hidden History Of The Human Race´ ist ein unwiderlegbarer Klassiker. Ein Album mit wahren Momenten der Schönheit und des entwaffnenden Anspruchs, und zerstreut auch nur jeden Zweifel daran, dass BLOOD INCANTATION einer der führenden Death Metal-Acts ihrer Generation sind.

(9 Punkte)