Redebedarf

GRENDEL’S SŸSTER

~ Interview ~


2017 kommen GRENDEL’S SŸSTER wie aus dem Nichts in unsere Welt hinein. Sie begeistern uns von Mal zu Mal aufs Neue – mit sakraler, folkloristischer Musik. 2019 ist es an der Zeit, mit Gitarrist Tobi ein Interview zu führen:

Welche musikalischen Erfahrungen und Erlebnisse konntet Ihr vor GRENDEL’S SŸSTER machen und welche haben Euch zur Gründung getrieben?

Tobi: Ich bin sowohl als Metaller als auch als Folkie an der Mandoline sozialisiert und war lange eher mit diesem Instrument unterwegs. Weil die Chemie mit Till gestimmt hat (der musikalisch von Rock bis BLACK SABBATH alles hört und Drums bei THE DALLAS HANGOVER gespielt hat), haben wir uns 2015 im hessischen Hinterland verschanzt, um mal meine fiebrigen Metalfantasien auszuprobieren. Daraus ist dann die erste Single entstanden, auf der Kathi, Tills Frau, singt. Begegnet sind wir uns zum ersten Mal, meine ich, auf dem fantastischen TFF (Tanz- und Folkfest) in Rudolstadt.

Mein größter claim to fame ist übrigens, dass ich in grauer Vorzeit mal eine Weile mit Björn Daigger (u.a. MAJESTY) in einer Band gespielt habe.

GRENDEL’S SŸSTER ist das zweite Ich, die gespaltene Persönlichkeit von Grendel. Erzähl uns bitte mehr über Grendel und seine Probleme?

Grendels Schwester repräsentiert seine verdrängte weibliche Seite. Allerdings ist Schwester Grëndula ein mindestens ebenso grässliches Monster wie ihr Bruder. Die Grendels sollten dringend mal eine Familienaufstellung machen; da scheint einiges im Argen zu liegen. Leider erfährt man im „Beowulf“ nichts von ihr. Das lässt der Fantasie einigen Raum.

Ohne viel Fantasie muss man bei Euch Folk und Rock als Einfluss ansehen, oder was fließt noch hinein?

Definitiv 1980er US Metal (MANOWAR, WARLORD/LORDIAN GUARD, CIRITH UNGOL, BROCAS HELM usw.), frühe BLIND GUARDIAN, ein bisschen Renaissance-Musik und ein bisschen Krautrock. Ansonsten passt deine Einschätzung schon. Musikalisch fanden wir bis jetzt die Beschreibung „FAIRPORT CONVENTION meets BLACK SABBATH“ recht treffend.

Obwohl ich BLACK SABBATH nur schwer heraushören kann. Gibt es denn spezielle Idole?

Für diese Art von Musik: Was Andreas Hedlund auf den beiden OTYG-Alben und auf den frühen VINTERSORG-Platten abgezogen hat, finde ich absolut sensationell.

Wieso spielt Ihr nicht einfach Heavy Metal? 😉 

Tun wir ja aus unserer Sicht. Vom Härtegrad her ist das natürlich eine 1980er-Perspektive. Und was die Folkmelodien betrifft: dadurch werden ja z.B. SLOUGH FEG auch nicht weniger Metal. Auch das Unorthodoxe hat im Metal Tradition. Außerdem wollen wir ja nicht mit letzterer brechen, sondern nur bei Gelegenheit passende Elemente hinzufügen. Deshalb haben wir auch die Volkslieder ‚Wildvögelein‘ und ‚Graf und Nonne‘ aufgenommen. Wenn wir uns zwängen ‚generischer‘ zu klingen, würden wir wahrscheinlich wie eine blutleere Parodie klingen. Das können andere Bands der NWOTHM wirklich besser.

Wieso spielt Ihr nicht einfach Folk-Rock?

Auf Dauer würde uns da der Wumms fehlen und wir würden die erhabenen und heroischen Momente vermissen. Aber auch hier ist es wieder die Sache mit den zwei Herzen in der Brust: Warum sollten wir uns entscheiden müssen? Auf unserem Level müssen wir uns ja zum Glück keine Gedanken darübermachen, wie wir unsere Mucke schubladengerecht und marktkonform strategisch ausrichten.

 

 

Wieso seid Ihr bei dieser Kombination nicht im Mittelalter-Rock/Metal gelandet?

Ich denke wir schon, dass uns Leute aus dieser Szene mögen könnten, auch wenn wir nicht mit Laute und Hennin posieren. Darum haben wir auch dem Karfunkel wieder ein Rezensionsexemplar geschickt, nachdem wir schon für ´Orphic Gold Leaves/Orphische Goldblättchen´ eine wohlwollende Besprechung erhalten hatten. Nichtsdestotrotz glaube ich…

Ja, was trennt Euch noch von diesem?

Eigentlich fast alles. Zunächst einmal besitzen wir drei weder authentische Gewandung noch historische Instrumente. Darüber hinaus bieten wir auch keine Interpretation mittelalterlicher Musik und Texte im engeren Sinne. Mein Eindruck ist, dass wirkliche mittelalterliche Musik für moderne Ohren doch sehr gewöhnungsbedürftig klingt. Oft sind es eher die Melodien des 14. bis 17. Jahrhunderts, die unseren medial geprägten Erwartungen näherkommen.

Was die Texte anbelangt, so geht es bei uns um bestimmte überzeitliche Symbole, Bilder und Stimmungen. Es mag sein, dass das eine „mittelalterliche“ Atmosphäre erzeugt, und das liebe ich auch am US Metal. Rein inhaltlich könnte man jetzt aber auch genauso gut z.B. über die Steinzeit sprechen (´Entoptic Petroglyphs/Entoptische Petroglyphen´).

Also wollt Ihr Euch einfach nicht in eine Schublade zwängen lassen?

Ist uns eigentlich wurscht. Epic/Folk/Doom Metal tut uns als Bezeichnung bestimmt nicht weh. Oder Unorthodox Epic Metal. Oder Jungian Epic Metal.

Können ZUPFGEIGENHANSEL mit WARLORD konkurrieren – oder umgekehrt?

In einer perfekten Welt gäbe es ein gemeinsames Projekt oder zumindest eine Split-7″. Bill Tsamis an der Mandoline oder Friz und Schmeckenbecher mit einem Gastsolo auf ´Soliloquy´ fände ich schon atemberaubend. Für mich haben beide Bands jedenfalls schon als Teenie auf dasselbe Mixtape gehört.

Habt Ihr eigentlich die klassische Schule des Erlernens eines Instrumentes durchlaufen oder habt Ihr Euch alles selber beigebracht, abends am Lagerfeuer?

Caro hat Musik studiert, Till ist Autodidakt, ich hatte ganz früher mal Gitarrenunterricht. Es ist aber in der Tat so, dass zumindest mich die Lagerfeuer-Abende musikalisch geformt haben, Bathorys ´Man Of Iron´ während der Hundswache usw.

Bis auf einen Wechsel am Mikrofon, gab es keine Besetzungswechsel. Wieso ist Kathi gegangen?

Kathi hatte mit privaten Problemen zu kämpfen und deswegen ist ihr die Band einfach zu viel geworden. Sie ist eine coole Socke und ich hoffe, wir machen irgendwann mal wieder Musik zusammen, egal ob Folk oder Metal oder sonst was.

Gibt es untereinander auch private, enge und innige persönliche Beziehungen?

Das kann man schon so sagen. Anders ginge es auch gar nicht. Ich bin zwar der aufgeklärte Monarch (vulgo Diktator) in der Band, aber ich würde weder Caro noch Till musikalisch oder menschlich missen wollen. Ich hoffe sehr, dass die beiden ein ähnliches Bild von mir pflegen.

 

 

Wo ist Euer Stützpunkt im Lande, oder seid Ihr mittlerweile über die Dörfer und Städte verteilt?

Unser Feldherrenhügel liegt in Stuttgart, wo Caro und ich wohnen. Till wohnt bei Frankfurt und baut gerade seinen Keller aus. Dadurch verlagert sich der Schwerpunkt in Zukunft vielleicht ins Hessische. Das wäre mir auch recht, weil ich in Darmstadt aufgewachsen bin.

Fällt Euch selbst zu wenig ein oder wieso sind diesmal auch einige Abschnitte aus traditionellen Liedern entnommen?

Bis auf die beiden erwähnten Volkslieder ist es eigentlich gar nicht so viel. Der Grund ist einfach, dass diese Abschnitte für mein Empfinden eh schon irgendwie Metal sind, aber bisher unerkannt geblieben sind. Und das tut mir in der Seele weh. Vielleicht gibt es irgendwann auch mal eine reine trad./arr.-Platte. Eigenes neues Material ist auch in Hülle und Fülle da. Ich weiß gar nicht so recht, wann wir das alles aufnehmen sollen.

Beeinflussen Euch alte Sagen und Geschichten, die Ihr speziell dafür durchforstet?

Ich habe ein Faible für die Geisteswissenschaften und lese recht viel. Das beeinflusst mich natürlich schon in vielerlei Hinsicht. Beim Textschreiben fallen mir dann oft interessante Wörter oder Bilder ein, die zur Musik passen. Durchforsten würde ich es also nicht nennen, weil es eher eine intuitive Sache ist.

Mittlerweile schon Tradition bei Euch: die Lieder in Deutsch und in Englisch. Eine bewusste Entscheidung?

Ja, schon. Im Englischen ist eine archaisierende epische Dichtersprache im Epic und Doom Metal ganz normal. Ich war neugierig wie es klingt, wenn man versucht, diesen Stil ins Deutsche zu übertragen (und eben nicht beim „Marktsprech“ landet). Das Ergebnis finden einige Leute allerdings reichlich befremdlich, um es mal milde auszudrücken.

Ich finde es betörend. Und auch die Artworks sind bei Euch immer herzallerliebst. Wer von euch beschäftigt sich damit eingehend?

Die Auswahl ist von mir, aber die technischen Aspekte haben immer talentierte Freunde und Bekannte erledigt. Es gibt bekanntlich einige grandiose Beispiele im Metal  (z.B. Thomas Cole bei CANDLEMASS oder Sir Frank Dicksee und Peter Nicolai Arbo bei BATHORY).

Ein Bild, auf dem ein römischer Kaiser seine Gäste aus Versehen unter Rosen erstickt, ist für mich einfach Metal und gehört verwendet. Das funktioniert einfach auf mehreren Ebenen wunderbar. Natürlich fehlen da manch einem dann wiederum die Totenschädel und Schwerter usw.

Ihr seid ein Trio. Könnt Ihr die Songs auch mit drei Personen live umsetzen?

Theoretisch ja, weil Caro Bass spielt. Das wäre aber ganz schön fordernd und würde auch einige Lücken im Sound lassen. Wir werden da bei Gelegenheit mal ein bisschen herumprobieren. Vielleicht wird es auch erstmal einen Akustik-Set geben. Aber das ist ohnehin Zukunftsmusik. Erstmal möchten wir unsere knapp bemessene Zeit nutzen, um weitere Lieder aufzunehmen.

Also kann man Euch derzeit nicht live erleben?

Im Moment ist es einfach schwierig mit Live-Auftritten. Das hat sowohl berufliche als auch private Gründe (z.B. zahnende Kinder). Mal sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Abwarten und IRON GRIFFIN hören.

Und wo und um welche Uhrzeit sollte Männlein wie Weiblein Eure Musik hören?

In einer Zirbelstube vor offenem Kamin bei Dämmerung. Jedenfalls vor offenem Feuer, und wenn es nur eine Ziegentalgkerze ist.

Wie komponiert Ihr denn die Lieder, auch bei Wein … und gemeinsamem Gesang?

Ich empfehle einsame mitternächtliche Sessions vor der Tageslichtlampe mit literweise Ostfriesentee. Richtig rund werden die Lieder aber erst unter dem Einfluss von Till und Caro.

Sollte Eure Musik im Radio laufen oder nur am Lagerfeuer?

Am besten beim Bernhard auf Seeds of Doom (The Misery Show). Sonst bitte am Lagerfeuer mit ordentlich Hierochloe odorata.

 

https://grendelssyster.bandcamp.com/album/myrtle-wreath-myrtenkranz-ep


Pics: Tilman Weigele