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VANDEN PLAS – The Ghost Xperiment – Awakening

~ 2019 (Frontiers Music s.r.l.) – Stil: Progressive Metal ~


Progmetal aus Deutschland vs. Ikonen aus Übersee im gleichen Jahr – wer wird Meister? Oder gibt es ein Unentschieden?

Am ersten internationalen Nachkriegstitel auf grünem Rasen hatten einige unserer Pfälzer Vorfahren nicht unerheblichen Anteil, die ´Walz aus de Palz´ ist Legende, der Wiederaufstieg in die erste Liga und der darauffolgende Durchmarsch zum Meister 1998 hat uns noch nie einer nachgemacht, doch fußballerische Sternstunden dürfen wir Pfälzer uns wohl seit geraumer Zeit nicht mehr erhoffen.

Da kann man sich wenigstens auf eine lokale Musikszene verlassen, wie zum Beispiel die 1986 als Hardrocker gestarteten und mittlerweile zu Hoffnungsträgern und Speerspitzen des Genres über die Landesgrenzen hinaus avancierten Progmetaller als auch Botschafter härterer Theaterkultur (praktisch das zur Tugend gemacht, was die Amis im Namen tragen, hehe). In einem konstanten 3-4 Jahresrhythmus konnte sich der geneigte Zuhörer auf ein neues Epos ständig wachsender bis nicht stagnierender Qualität ins Sachen Musik und Konzept erfreuen, die letzte Geschichte ´Chronicles Of The Immortals´ erschien sogar als Doppelschlag innerhalb von zwei Jahren.

 

 

So ist es auch hierbei geplant, wenn wir dem von Sänger Andy Kuntz erdachten Protagonisten Gideon Grace auf seiner Reise durch Frankreich und seinem ständigen Kampf gegen die Schatten des „House Of Rain“ nach dem Verlust seiner geliebten Ivy folgen. Die Erzählung dreht sich um den daraus resultierenden Schmerz und der Verarbeitung eines Kindheitstraumas, welches seit seiner Flucht aus einem Waisenhaus bei St. Malo tief in seiner Seele eingebrannt scheint. Die Geister der Vergangenheit lassen ihn einfach nicht mehr los – oder ist es gar eine wirklich dunkle Macht, die ihn bedroht? Anhand von metaphysischen Abhandlungen, die er sich aus einer Fakultät in Deutschland besorgt, glaubt er nun, sich seinen überirdischen Angreifern stellen zu können…doch ob man die Geister, die man rief, wieder los wird (bzw. „careful what you wish for“ – wie der Angelsachse sagt), wird der zweite, für 2020 geplante Teil beantworten, der dann an dem geöffneten Tor zu den Tiefen der Hölle ansetzt.

Musikalisch ist alles beim Alten, was in diesem Falle keineswegs negativ zu verstehen ist – wo VANDEN PLAS draufsteht, ist auch eben solches drin, mit allem, was den Stil der Band über die Jahre geprägt hat: Fette Progmetalriffs und überirdische Soli treffen auf virtuoses Keyboard vor einer präzise tickenden, durch exakt gesetzte Breaks meandernde Power-Rhythmikmaschine. Die instrumentalen Fertigkeiten und Songarrangements der Herren Werno (Keyboards), Reichert (Bass) und den Lill-Brothers (Drums & Gitarre) sind auf einem überragenden Niveau, so dass ich selbst als Langzeithörer die Frage nach Lieblingsalben ähnlich wie bei AYREON oder KING DIAMOND nur noch anhand lyrischen Komponente, sprich: wie sehr mich die Story packt, beantworten kann. Ebendiese gestaltet sich genauso spannend durch packende Melodien und große Backings, die von Soundzauberer Markus Teske arrangiert und von ihm mit Unterstützung von Oliver Hartmann, Manuel Lothschütz und Jürgen Rehberg eingesungen wurden.

Die sechs größtenteils von Stephan Lill geschriebenen Songs zwischen fünf und knapp zehn Minuten sind musikalisch auf jeden Fall mal wieder über jeglichen Zweifel erhaben und Vergleiche zum Flaggschiff DREAM THEATER eigentlich komplett unnötig, da die Pfälzer längst ihren eigenen Stil gefunden und ihren persönlichen Fußabdruck im Rasen hinterlassen haben, was sich ebenfalls bei dem theatralischen ´Devil’s Poetry´ aus der Feder von Günter Werno zeigt.


Der Betze in Lautern ist anders als das MetLife Stadium und Fußball ist nicht Football, doch musikalisch spielen hier zwei in einer Liga. Als sich die Amerikaner vor ihrem erneut starken Auftritt dieses Jahr einige Zeit in allzuviel Gefrickel verloren, hatten VANDEN PLAS für mich sogar zeitweise die Nase kompositorisch vorn. Nach Gegenprobe beider aktueller Schallplatten unter gleichen Testbedingungen auf Transrotor an Marantz über B&W komme ich 2019 zu folgendem Urteil:

Die Begegnung VP und DT endet unentschieden (auch wenn DT länger auf dem Platz waren und mehr Bälle spielten) – die Kontrahenten reichen sich die Hände auf Augenhöhe.

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