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AURORA FERRER – Night Oracles And Falling Stars

~ 2019 (RecordJet) – Stil: Avantgarde Songwriter Elektro ~


Traumhaft. Emotional. Perfekt. Was die südlich von Barcelona kommende Wahlmainzerin AURORA FERRER auf ihrem ersten Soloalbum (fast) alleine erschaffen hat, ist qualitativ definitiv auf Augenhöhe mit ihrer mittlerweile etablierten Namensvetterin AURORA. Nur erwachsener, intimer, düsterer und somit für den Metalgourmet, der gerne über den Plattentellerrand schaut, möglicherweise weitaus interessanter.

Ich mag sie beide, doch konzentrieren wir uns auf Frau FERRER. Schon der Opener ´The Bend´ hätte das Zeug zum würdigen Abschlußsoundtrack eines Blockbusters und könnte als Alternative zu LARA FABIANs phänomenalen Song ´The Dream Within´ für FINAL FANTASY stehen. Zarte Synthieklänge als auch fetzige Rhythmen bilden die Basis für Auroras sehr sinnliches, doch kraftvolles Organ. Entdecke ich gerade die EVANESCENCE des Elektroprog-Undergrounds? Nicht weglaufen, liebe Metaller, denn das Feeling dieser Songs geht tief, sehr tief und die Klasse und Klangfarbe einer Amy Lee erreicht sie ebenfalls spielend.

Sie selbst gibt als Einflüsse KATE BUSH, PETER GABRIEL, JEFFERSON AIRPLANE, RADIOHEAD, BJÖRK, MUSE, THIRTY SECONDS TO MARS, LEPROUS oder ULVER an. Musste ich einfach mal so stehen lassen, da ihre Kunst – ihr Gemälde ´Solar Storm´ dient darüber hinaus als Cover – dermaßen vielschichtig ist, dass direkte Vergleiche kaum machbar sind.

Klar, am Ehesten kommt einem eine unstressige BJÖRK gerade bei dem fesselnden, fast bedrohlichen ´Chasm´ oder dem fast hymnischen ´Bring Back The Noise´ in den Sinn, doch jeder Song hat sein eigenes Flair und seine individuelle Identität. Mal minimalistisch gefühlvoll mit vertrackten Beats dem ´Inner Desire´ folgend, mal treibend tanzbar bei ´Divide And Conquer´, doch spätestens in den grandiosen Refrains stets auf das Wesentliche fixiert: superbe Melodien, die intensiv intoniert eine weitgefächerte Gefühlspalette transportieren. ´The Game´ stellt schlicht und ergreifend einen treibenden Hit mit etwas JEAN-MICHEL JARRE Synthieflair dar, während die ´Medusa´ nach träumerischem Beginn eine beatgetaktete Spannung und intensive Strahlkraft entwickelt, die einst nur Göttinnen wie DALBELLO oder TOYAH erreicht haben. Wow. Und als ob das nicht genug wäre, findet sich ´Under A Common Shade´ eines der Lieder des Jahres, dessen sparsam eingesetzten, doch intensiven Refrain man sich getrost mal auf QUEENSRYCHES ´Rage For Order´ vorstellen sollte! JAAAAA!

Sphärisch-experimentell schaltet die Gute danach die ´Lights Out´ mit der Einarbeitung einer gleichnamigen Mystery-Radiosendung und deren Episode ´The Dream´ aus dem Jahre 1943 – quasi die ´Outer Limits´ einer Zeit, als auch die reale Welt den Atem anhielt. Danach führt der Weg aus der Isolation und Dunkelheit nur mit dem erneuten Abspielen dieses kleinen Juwels heraus.

“Du musst dir doch bei einem Debüt noch mehr Luft nach oben lassen” -höre ich die Stimme der Vernunft aus einem miesepetrisch-grauen Herbstschleier heraus flüstern. Drauf geschissen, das Leben ist jetzt. Und die Essenz des Lebens und der Musik findet sich genau hier auf diesem Album – in dieser Sportart für mich das Debüt des Jahres, dessen heilende Langzeitfolgen für Körper und Seele noch nicht abzusehen sind.

(9 sprachlose Punkte)

https://auroraferrer.bandcamp.com
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