Redebedarf

BEGGAR’S OPERA

~ Interview mit Martin Griffiths ~


Wer im Heidelberger Schloss oder der Schwetzinger Sommerresidenz unterwegs ist, kann dort möglicherweise einem Führer begegnen, mit einem unüberhörbaren britischen Akzent. Kommt man mit ihm ins Gespräch, kann man erfahren, dass dieser Mann als Sänger ein Kapitel der Rockgeschichte mitgeschrieben hat. Den meisten wird der Name BEGGAR’S OPERA kaum etwas sagen, vielleicht vielen auch egal sein. Unsere Leser dürften allerdings der Minderheit der Wissenden angehören.

Meine erste Begegnung mit Martin Griffiths liegt ein paar Jahre zurück. Das erste ALIAS EYE Album ´Field Of Names´, das 2001 erschien, enthält ein Stück, ´The Readiness Is All´, auf denen Martin als Duettpartner seines Sohnes Phillip zu hören ist. Bei der Releaseparty zum zweiten Album der Mannheimer Proggies im Frühjahr 2003 stand er dann mit auf der Bühne. Mit im Programm war damals auch der Übersong der BEGGAR’S OPERA, ´Time Machine´.

So ist es jetzt an der Zeit, die Zeitmaschine anzuschalten und eine gemeinsame Reise in die Vergangenheit zu unternehmen.

Martin, Du bist in Newcastle upon Tyne aufgewachsen. Wie war Deine Kindheit und Jugend?

Ja, ich wurde in Newcastle upon Tyne 1949 geboren. Die Schule hat mich nicht besonders interessiert, nur die Fächer Kunst und Musik hatten es mir angetan. In Newcastle war es auch, wo ich meine erste Bühnenerfahrung machte. Mit den Pfadfindern sang ich in der „Gang Show“, einer Musicalproduktion im Theater Royal. Ich war begeistert und von da an mit dem Bühnenvirus infiziert.

Was waren Deine ersten musikalischen Schritte?

Mit 13 sind wir wegen des Jobs meines Vaters nach Glasgow in Schottland umgezogen. Es war ein Schock und ich konnte die Leute kaum verstehen. Es war wirklich eine andere Sprache und ich als englischer Junge ein Außenseiter, ein „Sassanach„. Es war schwierig, Freunde zu finden und ich war oft alleine. Zu meinem Glück suchte ein Klassenkamerad, der Schlagzeuger in einer Schulband war, verzweifelt nach einem Sänger für einen Wochenendauftritt. Natürlich wurde ich als letzter gefragt. Diese Gelegenheit ließ ich mir nicht entgehen. Ich wusste, dass ich singen konnte und dass es mir großen Spaß machte. Von da an änderte sich mein Leben und das Ausgeschlossensein hatte ein Ende.

Wie lief die Gründung von BEGGAR’S OPERA? Der Bandname bezieht sich auf die Bettleroper von John Gay. Hat Euch einfach der Klang der Worte gefallen, oder habt Ihr Euch auch inhaltlich mit dem Stück beschäftigt?

Unsere Schulband hieß THE SYSTEM und aus dieser Band hat sich BEGGAR’S OPERA gebildet. Wir schufteten am Bau der Autobahn in Südengland, um Geld für eine Musikanlage zu verdienen. Danach gingen wir wieder nach Schottland zurück, wo sich uns Alan, unserer Organist, und Ray, unser Drummer, anschlossen. Wir übten Tag und Nacht und schafften es, einen Gig im bekanntesten Glasgower Pub „Burns Howff“ zu bekommen. Wir hatten immer noch keinen Namen. So schaute ich durch mein Kreuzworträtsel-Wörterbuch und sah den Namen Beggars Opera. Der gefiel allen und so war es klar,  so sollten wir heißen! Erst später fingen wir mit dem Arrangieren und Komponieren von Klassikrock an.

Sänger der Schülerband THE SYSTEM

Auf dem ersten Album ´Act One´ habt Ihr ganz viele klassische Zitate genutzt und mit ´Poet And Peasant´ und ´Light Cavalry´ gleich zwei mal leichter Operettenkost von Franz von Suppé gefrönt. War der so populär im Vereinigten Königreich?

Die Hauptteile dieses klassischen Stückes von Frank von Suppe waren bekannt, aber wir arrangierten sie in einer Rockversion und schrieben den Text und unsere Publikum war begeistert.

Burns Howff Dezember 1969

Wie schnell kamen die ersten Liveauftritte?

Wir erhielten ein Dauerengagement im Howff und die Leute standen Schlange, um uns zu sehen und wir wurden in Glasgow und Umgebung sehr bekannt. Wir tourten durch Schottland mit Gruppen wie Rory Gallagher’s TASTE, FAMILY, TRAFFIC und T. REX.

Habt Ihr live auch Songs von anderen Bands gecovert?

Ja, am Anfang haben wir viel von LED ZEPPELIN, den BEATLES, FRANK ZAPPA und DEEP PURPLE gespielt, fingen aber schnell mit eigenen Songs an.

Welche Vorbilder hattet Ihr sonst so?

Mein persönlicher Favorit war FRANK SINATRA… Ich bin mit seinem für mich unglaublich gutem Gesangsstil aufgewachsen – meine Mutter war ein großer Fan. Die Gruppe hörte viel von FANK ZAPPA, wenn wir zusammen im Bandbus saßen.

Euer bekanntester Song war und ist ´Time Machine´vom zweiten Album ´Waters Of Change´. Geht es da um das Buch von H. G. Wells?

Nein, dieser Song entwickelte sich aus Veränderungen der Gruppenmitglieder, sozusagen sich ändernden Zeiten. Wir schrieben den Song, als wir für die neue LP in einem gemieteten Bauernhaus in Nordschottland probten.

Ihr habt auch 1971 beim ersten British Rock Meeting in Speyer gespielt. Erzähl mal etwas davon! Wer hat noch da gespielt? Was hast Du da so erlebt?

Die Woche davor hatten wir einen Auftritt im deutschen TV Programm Beat Club. Wir spielten drei Titel: ´Time Machine´, ´Poet And Peasant´ und ´Raymond’s Road´. Beim British Rock Meeting waren wir genau dann auf der Bühne, als die Sonne unterging. Vorher hatte FLEETWOOD MAC gespielt, die damals Probleme hatten und sich ein Musikerwechsel schon anzeigte. Für uns war die Zeit genau richtig und wir hatten einen Wahnsinnserfolg. BLACK SABBATH, die nach uns kamen, hatten es nicht leicht! Das erste British Rock Meeting wurde in Speyer und Wien veranstaltet. Wir flogen von Speyer mit den anderen Bands in einem gecharterten Flug nach Wien. Die damalige Notlandung, unser Flugzeug wäre beinahe mit einen starteten Flugzeug zusammengestoßen, werde ich nie vergessen! Dann kam die große Enttäuschung. Wir durften nicht auftreten, weil eine andere Gruppe auf den Veranstalter Druck ausgeübt hatte.

British Rock Meeting in Speyer, Foto von Claus König

Nach dem dritten Album warst Du raus? Bist Du selbst ausgestiegen? Und wenn ja, warum?

Ja……ich bin nach ´Pathfinder´ ausgestiegen wegen Unstimmigkeiten in der Band und wegen einer Bruchoperation.

Bist Du dann gleich schon in Deutschland geblieben?

Nein, ich ging nach England zurück und jobbte als Teebeutelverkäufer. In Nordengland sang ich in Arbeiterclubs Swing im Smoking und Fliege und war Conferencier bei Variete Shows mit Komödianten, Zauberern, Sängern und Gruppen wie THE TROGGS und THE SEARCHERS.

Die TROGGS?

Ja, die Band deren ´Wild Thing´auch von HENDRIX gecovert wurde.

Hast Du nach BEGGAR’S OPERA eine Solokarriere versucht? Da weiß ich fast nichts, außer, dass Du mit einer Single in den deutschen Charts warst.

Ja, ich habe mit Ralph Siegel drei Singles aufgenommen. Damals war Disco Time und ich bin durch Europa gereist. Meine Single ´Israelites´ war Nummer drei in den Disco Charts.

Und ich weiß von einer Europa-Tour mit den Franzosen ANGE. Das ist eine weitere meiner Lieblingsbands. Magst Du da ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern?

Ich habe die SCORPIONS bei ihrer Tour durch Frankreich, Belgien und Luxemburg unterstützt. Die Französische Gruppe ANGE wurde dadurch auf mich aufmerksam und lud mich ein, mit ihnen 1977 bei ihrer Tour zu spielen. Ich fuhr mit der Band in ihrem Cadillac, der früher einmal Präsident Ford gehörte. Wir spielten vor tollem Publikum in unglaublichen Orten. Ich hatte keine Ahnung, dass ANGE so populär war.

Bei der Tour mit ANGE, Paris, Palais du Sport, 1977

Warum lebst Du gerade in der Kurpfalz? Was gefällt Dir hier?

1972 traf ich in Mannheim die deutsche Band KING PIN MEH, die meine Freunde wurden. Hier lernte ich auch meine Frau kennen. So ist Mannheim und der Rhein-Neckar-Raum zu meiner Heimat geworden. Ich lebe gerne hier.

Du machst ja Führungen in Heidelberg, Schwetzingen und Mannheim. Wenn Du könntest, wen würdest Du von den früheren Bewohnern gern treffen? Und was würdest Du ihn/sie fragen?

Ich würde gerne die Blumenverkäuferin kennen lernen, die vor dem Mannheimer Schloss stand, als Mozart 1777 in Mannheim lebte. Die könnte mir sicher einiges von den Schloßbesuchern erzählen. Ich denke, sie würde gut über alle Skandale informiert sein.

Als Schloßführer arbeitest Du ja auch wie eine Zeitmaschine. Du bringst die Gäste in frühere Zeiten. Ein Traumjob?

Ja, manchmal denke ich, ich bin in einer Zeitmaschine und bewege mich im Mannheimer, Heidelberger und Schwetzinger Schloss durch die letzten 1.000 Jahre.

Der Zeitreisende heute

Dein Sohn Phillip ist ja auch Sänger bei ALIAS EYE und POOR GENETIC MATERIAL. Mit ersteren hat er ´Time Machine´ ins Bewußtsein zurück geholt. Da bist Du doch sicher ein wenig stolz?

Ja, ich bin sehr stolz auf meine beiden Söhne. Philip ist ein super Sänger und singt Harmonien aus dem Bauch heraus, bewundernswert! Wir haben ´Time Machine´ auf der letzten CD von ALIAS EYE zusammen gesungen und ich habe gerade die Aufnahmen für POOR GENETIC MATERIAL beendet. Die CD wird noch dieses Jahr herauskommen. Steven, mein anderer Sohn, geht einem bürgerlichen Beruf nach, singt aber und spielt ein gutes Saxophon.

Machst Du selbst heute noch Musik? Wenn ja, was gibt es denn da für Projekte?

Ich habe ein ´Musical Extravaganza´ geschrieben über das Leben von Elisabeth Stuart und Friedrich V., den Winterkönig. Es führt in einer Zeitmaschine durch das 17 Jahrhundert. Ich hoffe sehr, dass wir dieses Stück im Sommer 2020 im Heidelberger Schloss aufführen können. Andreas Luca Beraldo, der bekannte Dirigent und Verleger hat die musikalische Leitung übernommen.

Außerdem malst Du. Nur für Dich oder hast Du schon einmal ausgestellt?

Ich hatte Ausstellungen und eine Dauerausstellung ist in der Waldschenke, ein Restaurant auf dem Heiligenberg in Heidelberg. Da kann man die Bilder anschauen, ein Glas Bier trinken und die leckere Wildschweinbratwurst genießen.


Die Fotos stammen aus der Sammlung von Martin Griffiths.

https://www.facebook.com/martin.griffiths.587