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LINGUA IGNOTA – Caligula

~ 2019 (Profound Lore) – Stil: Experimental/Noise/Doom ~


Die Empörung über das Konzertereignis von Kristin Hayter alias LINGUA IGNOTA beim diesjährigen ´Roadburn´ Festival habe ich auch heute noch bildlich vor Augen. Zuschauer verließen damals teilweise völlig entrüstet die Venue (Green Room), mit einem heftigen Kopfschütteln oder gar lauten Buhrufen. Entsetzt. Frustriert. Nicht etwa die Qualität der Darbietung hatte dem Publikum dermaßen zugesetzt, sondern die Positionierung der Künstlerin im Konzertsaal. Denn Madame Hayter hatte nicht, wie gewohnt, auf der dortigen Bühne performt, sondern mitten in der Menge – und dazu noch überwiegend im Liegen, so dass im Grunde nur die unmittelbar um sie herum Stehenden überhaupt etwas von ihr zu sehen bekamen.

Ob das nun auch ein wesentlicher Bestandteil ihres künstlerischen Duktus` sein muss, lassen wir mal dahingestellt. Mit ´Caligula´ gibt sie sich nun jedenfalls wieder für alle Welt präsent. Industrial, Noise, Black Metal, Doom, Chor, Klassik – eine Rezeptur, die bereits auf dem Vorgänger-Album ´All Bitches Die´ bestens funktionierte und ihren darauf herausgeschrienen Zorn und ihre Rachegelüste auf beeindruckende Weise zu untermalen verstand.

Nach einem Split-Album, auf dem sie Dolly Parton und Scott Walker coverte, fügt sich Hayters neuer Longplayer sowohl thematisch wie musikalisch nahtlos an ´All Bitches Die´ an. Beim Opener ´Faithful Servant Friend Of Christ´ etwa dominieren depressive Geigen, die gemeinsam mit ihrem geradezu sakralen Gesang, wie ein Klagelied der schmerzerfüllten Me-Too-Generation verstimmen. „I am the cuntkiller!“ hallt es schließlich am Ende des nachfolgendes Songs ´Do Not Doubt Me Traitor´ hervor – als wolle die Protagonistin mit ihren markerschütternden Schreien ihr ganzes Leid und ihren Schmerz final kanalisieren. Das ist Rache-Oper, Exorzismus pur. Auch auf ´May Failure Be Your Noose´, einer völlig verstörenden Klavierballade, die zunehmend kakophonischer und unberechenbarer wird.

Gastbeiträge gibt es unter anderem von THE BODY, UNIFORM, FULL OF HELL und – wahrscheinlich eher unfreiwillig – auch von Lars Ulrich, der in einem bizarren Sample, eine selbstmitleidige Episode (wohl) aus dem Film ´Some Kind Of A Monster´ zum Besten gibt.

´Caligula´ hingegen ist eine ganz andere Art von Monster – Charisma, Eleganz, Trauer und nackter Schrecken liegen hier ganz eng beieinander. Und zwar wirklich monströs!

(8 Punkte)