Redebedarf

FRIEDRICH SUNLIGHT

~ Interview mit FRIEDRICH SUNLIGHT ~


Das Pop-Ereignis des Sommers sind eindeutig FRIEDRICH SUNLIGHT, die mit ihrem zweiten Album (siehe hier) alle Türen zur Begeisterung aufstoßen. Darum schritten wir zur Tat und belästigten die Herrschaften, Bassist Thomas, Sänger Kenji und Gitarrist Flo, trotz Hitze mit einigen Fragen: 

Gratulation zu Eurem jüngsten Werk. Doch fallen wir gleich mit der Tür ins Haus: Existieren FRIEDRICH SUNLIGHT weiter wie bisher, seit Kenji nach Glasgow gezogen ist?

Thomas: Ja, auch wenn einige voreilige Journalisten uns bereits totgeschrieben haben. Glasgow ist ja nicht aus der Welt und solange das Vereinigte Königreich nicht nach dem Brexit – so er denn überhaupt kommt – alle Grenzen dicht macht, sehen wir wenig Probleme.

Dann ist ja alles bestens. Wie sieht folglich Euer Plan für die kommenden Wochen und Monate aus, welche Konzerte habt Ihr im Auge?

Thomas: Das Live-Spielen ist momentan natürlich etwas schwierig. Also haben wir beschlossen, sofort neue Songs zu schreiben und diese schnell aufzunehmen, damit nicht wieder zweieinhalb Jahre bis zum nächsten Album vergehen.

Für alle, die Euch erst jetzt kennen lernen: Wann hat die Band FRIEDRICH SUNLIGHT begonnen zu existieren bzw. wie habt Ihr zusammengefunden?

Thomas: Augsburg ist keine riesige Stadt, so dass sich einige von uns schon ewig kennen und die Idee für unsere Vorstellung von deutschsprachiger Popmusik existiert auch schon länger. Die Band in der heutigen Besetzung gibt es seit gut vier Jahren.

Und wie seid Ihr auf diesen ungewöhnlichen Bandnamen gekommen?

Thomas: Friedrich Sunlight kam eines Tages unangemeldet in den Proberaum marschiert, stellte sich vor und er fand uns so sympathisch wie wir ihn – also blieb er bis heute.

Und jetzt im Ernst: Friedrich Sunlight stammt aus einem Gedicht des Dada-Lyrikers Wieland Herzfeld, dem Bruder des großen Antifaschisten und Erfinders der politischen Fotomontage John Hartfield.

Wenn Euch damals dieselben musikalischen Vorstellungen zusammengeführt haben, wie verlief seither Eure persönliche, musikalische Entwicklung?

Thomas: In unserem Alter entwickelt man sich persönlich leider nicht mehr so sehr, und wenn, dann nicht unbedingt zum Guten … musikalisch schon eher. Natürlich haben wir ähnliche musikalische Vorlieben, beispielsweise das kompositorische Verfahren der Wiener ,Schönberg-Schule’, aber, um mit JOY DIVISION zu sprechen: Love will tear us apart again.

Wer sind Eure musikalischen Idole?

Thomas: O je, mit dem Wort Idol tue ich mir schwer, da damit ja eigentlich Trugbilder oder Götzen gemeint sind. Ob man überhaupt jemanden, ob Mensch oder höheres Wesen, anbeten soll, weiß ich auch nicht so richtig. Aber natürlich gibt es viele Künstler, die Verehrung verdienen: Dürfen wir mal aufzählen? Wie lange soll das Interview werden?

 

 

Unendlich … Wenn dann wenigstens jeder von Euch seine fünf Lieblingsscheiben benennen möchte, bitte jetzt:

Thomas: Fünf oder fünfhundert? Gut, dann nenne ich mal einfach die fünf von mir zuletzt gehörten Alben, alle mehr oder weniger zufällig aus den späten 1970ern, frühen 1980ern:

  • Prefab Sprout – Swoon
  • The dB’s – Repercussion
  • The Talking Heads – Remain in Light
  • The Flying Lizards – The Flying Lizards
  • The Feelies – Crazy Rhythms
  • Mummy You’re … ach, pardon, waren ja schon fünf.

Und du, Kenji?

Kenji: Wirf einen Blick auf das Albumcover. Das ist nur ein kleines Fenster zu meiner Plattensammlung, aber du wirst eine Vorstellung davon bekommen, welche Art von Musik mir am Herzen liegt.

Flo: Meine TOP 5:

  1. Beach Boys – Friends
  2. Buffalo Springfield – Buffalo Springfield
  3. The Zombies – Odessey & Oracle
  4. Broadcast – The Noise Made By People
  5. Blur – The Great Escape

Gibt es hier Überschneidungen zu den Scheiben auf dem Coverartwork?

Thomas: Klar. Uns kommt doch kein Blödsinn aufs Cover.

Wie hat es Dich überhaupt nach Augsburg verschlagen, Kenji?

Kenji: Bezahlbare Miete.

 

 

Prima. In welcher musikalischen Ecke verortet Ihr Euch selbst?

Thomas: Ich meine: Popmusik, keine besondere Ecke. Ich mag Schubladen nicht so sehr, vielleicht, weil ich ein unordentlicher Mensch bin. Mancher schreibt Sophisticated Pop, Art Pop, wegen mir auch okay. Oder eben Sunshine Pop, dafür sind wir aber selbst verantwortlich.

War es Euch wichtig, in Deutsch zu singen?

Thomas: Das hat sich so ergeben, unsere beiden Texter in der Band sind deutschsprachig aufgewachsen. Vielleicht wird das beim nächsten Album anders, vielleicht auch nicht.

Kenji: Ich mag eine gute Herausforderung.

Seht Ihr keine Gefahr, bei solch softer Musik und deutschen Texten, in die Schlager-Ecke gedrängt zu werden?

Thomas: Wir sind nicht soft, manchmal sind wir sogar richtig ,hard’: Es geht uns um Schönheit, und hier liegt die Verwechslungsgefahr bei oberflächlichem, um nicht zu sagen: schlampigem Zuhören, einer Epidemie unserer Zeit.

Wem Schönheit generell zu trivial ist, muss in sich selbst nach der Ursache dafür suchen. Und wenn mit Schlager einfachste, gerne an Kinder- oder Volksmusik angelehnte Melodien und schlichte Texte gemeint sind, die sich dem Harmoniebedürfnis der Zuhörer andienen, oder gar der verlogene Mainstream-Deutsch-Pop unserer Tage, haben wir mit Schlager aber schon gar nichts gemein.

Mögt Ihr denn Schlagermusik?

Thomas: Wenn man Günther Fischers Kompositionen für Manfred Krug, Burt Bacharachs oder Curt Böttchers Evergreens als Schlager versteht, dann ja. Ansonsten: nein.

Kenji: Who doesn’t like Françoise Hardy? Wer auch immer sie nicht mag, bitte jetzt aussteigen.

Welche Musik liebt jeder von Euch einzeln am liebsten?

Thomas: Am liebsten liebe ich die Liebe – Oh, ist das jetzt ein Schlagerzitat?

Kenji: Siehe LPs auf dem Albumcover.

Wer von Euch hat Angst vor Trennungsschmerz, oder wie soll ich ´Sag es erst morgen` deuten?

Thomas: Man muss schon sehr gefühlskalt sein, um keine Angst vor Trennungsschmerz zu haben oder diesen gar nicht erst zu kennen. In ´Sag es erst morgen´ geht es aber weniger um Trennungsschmerz als um Eskapismus.

 

 

Aber die Liebe ist natürlich oft ein Thema – vorher (´Mit dir´) oder nachher (´Nachtbus nach Wien´) – Hauptsache wir reden darüber. Sind die Songs eine Vergangenheits- und Gefühlsbewältigung?

Thomas: Liebe ist doch immer d a s Thema.

Mit Vergangenheitsbewältigung haben wir Deutsche ja ausreichend Erfahrung, wenn auch in anderer Hinsicht. Gefühle hingegen sollten nicht bewältigt, sondern genossen werden, auch wenn sie manchmal schmerzhaft sind.

Besonders das vortreffliche ´Wenn du mich suchst´ zeigt ungeniert eine Gemütslage…

Thomas: Äh … der menschenfreundliche Misanthrop – ja, ich weiß, ein Widerspruch in sich –, der gerne das Weite sucht, wenn’s bei den anderen mal wieder zu fröhlich wird – ein beliebtes Sujet unserer Band. Übrigens: Sowohl vom Text wie auch musikalisch auch mein Favorit auf dem Album.

Meiner auch. Ist ´Ein kleines Haus´ Eure subtile Art, mit dem aktuellen US-amerikanischen Präsidenten abzurechnen, oder hat jemand zu oft „Schöner Wohnen“ gelesen?

Thomas: Wir träumen ja eher von großen Häusern, am besten randvoll mit FRIEDRICH SUNLIGHT-Publikum. Ansonsten: Ja, kleines Haus ist gleich Weißes Haus, natürlich nur aus der Sicht von ehemaligen Wolkenkratzerbewohnern wie Donald Duck.

Kenji: Ich habe das Lied vor Jahren geschrieben, als Bush noch Präsident war. Es wurde zunächst in englischer Sprache verfasst – aus der Perspektive des Weißen Hauses selbst. Als Trump ins Amt gewählt wurde, war es noch sinnvoller, den Song anzupassen. Thomas adaptierte meine Idee ins Deutsche.

´Kleinmut´ könnte auch eine politische Aussage beinhalten…

Thomas: ´Kleinmut´ stammt aus dem Song ´Was will man noch mehr´. Darin kommt auch dieser Satz vor: „Sie haben ewig Kleines wieder groß rausgebracht.“ Wer und was könnte damit wohl gemeint sein? Vielleicht die menschenverachtenden Idioten auf der rechten Seite des politischen Spektrums, die uns unsere Vergangenheit als Zukunft verkaufen wollen.

Aber ´Wirf dein Geld aus dem Fenster´ ist kein neuer Wirtschafts-Ratgeber?

Thomas: Warum nicht? Das stammt so ungefähr von Karl Lagerfeld, zu Lebzeiten nicht als armer Mensch bekannt: „Ich schmeiße das Geld aus dem Fenster, weil das sehr gut ist für die Ökonomie ist. Was man aus dem Fenster schmeißt, kommt durch die Tür wieder rein.“

Wie lange habt Ihr für das Komponieren der neuen Songs gebraucht?

Thomas: Für manche fünf Minuten, für andere fünf Jahre, je nachdem.

Kenji: Zu lange. 😉

Und dann im Studio?

Thomas: Mit Unterbrechungen so sieben Monate bis zum Endmix.

Wie lebt Ihr Euren Alltag, wenn Ihr nicht unter den Augen des Sonnenkönigs werkelt?

Thomas: Ich kann nur für mich sprechen, die anderen sind bestimmt den ganzen Tag fleißig und – igitt – ganz heftig kreativ: Am häufigsten sieht mich der Sonnenkönig auf meiner Hängematte liegen, zwischen zwei alten Apfelbäumen baumelnd.

Kenji: Ich verbringe die meiste Zeit damit, herauszufinden, was diese Glasgower zu mir sagen!

Sehr schön. Ach so, und wann startet die Welttournee? 

Thomas: Für wen ist das Interview? Für die Zeit-Magazin-Rubrik ,Ich habe einen Traum’?

 

https://www.facebook.com/friedrichsunlight/


Pics-Credit: Till Stowasser