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FLYING LOTUS – Flamagra

~ 2019 (Warp Records) – Stil: Experimental / Electronic ~


Ein „ewiges Feuer auf einem Hügel“ symbolisiert die durchgehende Thematik von ´Flamagra´. Feuer wärmt die Menschen, hellt die Dunkelheit auf, reinigt und verwandelt, vernichtet jedoch auch. Feuer ist ein Transformator.

Über die vergangenen fünf Jahre hinweg sammelte der Kalifornier Steven Ellison neues Material für sein sechstes FLYING LOTUS-Werk. Er durchlief viele Phasen, ehe es zu diesem neuen Meilenstein kommen konnte. Der Besitzer des Brainfeeder-Labels wirkte derweil an Kendrick Lamars-Album ´To Pimp A Butterfly´ mit, schrieb die Horror-Komödie ´Kuso´und saß ebenso als Produzent bei Thundercats ´Drunk´ mit auf dem Produzentensessel.

´Flamagra´ ist in letzter Konsequenz kein opulentes Monumentalepos, es ist die Aneinanderreihung von Kurzgeschichten, 27 an der Zahl – leicht entzündlich. Neun Gastsänger verstärken den Ansatz dieser über einstündigen Vortragsreihe mithilfe von Short-Stories. Zwischen Polyrhythmen und Tribal-Kaskaden werfen sich die Ingredienzien aus Funk, Soul, Hip-Hop, Jazz, Electro und IDM nur so die Bälle zu. Nichts wird bis zum Exzess ausgekostet, lieber der nächsten Idee den Vortritt gewährt. Klangwelten entstehen. Die Generation Future-Music stellt die Synthese aus Afro- und Electro-Music her – und schürt kein Strohfeuer.

Einen groben thematischen Rahmen hatte ich aber von Anfang an im Hinterkopf“, erzählt der Guru der Klanglabore. „Es sollte um Feuer gehen, um ein ewiges Feuer auf einem Hügel. Manche Menschen lieben dieses Feuer, andere hassen es. Die einen verabreden sich dort, die anderen nutzen es, um in den Flammen alte Liebesbriefe zu verbrennen.“ Doch die Liebe steht nicht im Mittelpunkt, in diesen stellt der Großneffe der Jazz-Pianistin Alice Coltrane eine Rede von David Lynch, den er auf einer Party eine Geschichte über einen Feuerausbruch erzählen hörte. Diese rezitiert dieser auch persönlich auf seine ureigene Weise in ´Fire Is Coming´. Ein auditives Highlight.

 

 

Von Song zu Song legt der FLYING LOTUS-Zirkus seine Darbietung eher cineastisch offen: ´Heroes´ scheint uns in der fernen Wildnis auszusetzen, ´More´ holt mit dem Sprechgesang des Rappers Anderson .Paak den Soul zurück. Zu ´Burning Down The House´ betätigen sich die Schlümpfe mit P-Funk-Ikone George Clinton als Brandstifter. ´All Spies´ versprüht die Magie von MGMT – und plötzlich folgt Höhepunkt auf Höhepunkt. ´Yellow Belly´ und Gaststar Tierra Whack sind besonders hervorzuheben, sowie der kommende Hit mit Denzel Curry ´Black Balloons Reprise´, falls es niemandem auffällt, dass es die Reprise eines Songs aus Currys letztem Album offenlegt, zugleich einen Monster-Refrain. Aber auch Thundercat schaut zum R&B-Song ´The Climb´ vorbei und Solange verspricht ein ´Land Of Honey´. Die Zukunft des Pop brennt hier, obgleich nicht so visionär wie einst ´Until The Quiet Comes´ (2012), in einem wahren Feuermeer.

(8,5 Punkte)