Livehaftig

IRON FEST – The First Strike – Open Air 2019

~ 25. Mai 2019, Schönenberg-Kübelberg ~


In meinem gesetzten Alter habe ich mich jetzt doch mal auf ein Open Air gewagt. Als klein und familiär wurde es beworben, das Iron Fest, als klein und familiär wird es den etwa 600 Besuchern in Erinnerung bleiben. Ein feines Gelände, Camping ist fußläufig zu erreichen. Auch das Wetter hält, es ist sonnig, doch nicht zu warm. Die Verpflegung ist allerfeinstens, vor allem Jatta mit seinem karibischen Street Food hat sich in die Herzen gekocht. Dass er sich als Reggae-Fan von Vorurteilen hat lösen können und sich trotzdem zu Hause fühlen kann, liegt genau an der schönen und familiären Stimmung. So viele alte Bekannte trifft man hier, so viele neue Leute lernt man kennen. Einzig ein paar wenige Fans auf dem Camping outen sich als Wutze. Ihre Müllverteilung ist pokalverdächtig.

Die ersten Leute sind schon am Vorabend angereist und haben eine erste Party bereits hinter sich. Am Samstag kleckern so nach und nach und völlig streßfrei alle anderen ein. Weder gibt es übermäßig Schlangen an der Abendkasse, noch an der Info. Nach Zeltaufbau und Erwerb der Getränkebons machen wir es uns schon mal gemütlich.

Als kurz nach zwei die erste Band, VALIANT VIPER, die Bühne entert, ist das Publikum noch recht übersichtlich. Die Herrschaften mit Dame am Mikro aus St. Wendel und Birkenfeld hauen uns ein paar nette und ein paar überraschende Covers um die Ohren. ´Rock You Like A Hurricane´ oder ´Breaking The Law´ sind sicher zu erwarten, überraschend sind dann schon dicke Dinger wie MEGADETHs ´À Toute Le Monde´ oder ´The Hunter´ von ICED EARTH. Insgesamt sind VALIANT VIPER ein guter, aber sicher kein spektakulärer Einheizer. Vor allem die Gesangsfraktion zeigt, was in ihnen steckt. Am Bass steht der als Zuul bekannte Basser von LORD VIGO, der kurzfristig eingesprungen ist, aber das Programm dennoch beherrscht. Dafür habe ich das Gefühl, dass am Schlagwerk so einige nervositätsbedingte Unsicherheiten zu spüren sind. Oliver und Nicole am Gesang machen ihre Sache dafür richtig gut, mir gefällt, wie sie ihre Sachen hier zweistimmig arrangiert haben, die im Ursprung nicht für zwei Stimmen und erst recht nicht für eine Frau gedacht waren. Klampfer Kay Wiesen läßt mir für meinen Geschmack zu sehr den Rockstar raushängen. Das hätte er gar nicht nötig, etwas mehr Natürlichkeit würde echter wirken. Dafür wurde er den ganzen Abend aber auch immer wieder ganz vorne an der Bühne gesehen.

Gesegnet seien alle, die den Gig der Heidenheimer Truppe DEMONS DREAM erleben. Schnell! Laut! Speed Metal in Reinkultur! Fünf junge Männer, die ihren Sound leben, auf der Bühne, auf CD und auch sonst im Leben. Kai und Gyros bringen Doppel-Leads, wie ich sie lang nicht mehr hören durfte. Vor allem aber Sänger Marius reißt mit. Fast kann man meinen, ihm sei die Bühne zu klein, so sprintet er von einer Seite zur anderen. Und er kann singen, kann schreien, holt alles aus seiner Stimme raus. Dazu diese Songs! Ich nenne hier nur mal das rasende ´Hellrider´. Das muß man einfach mitbrüllen, man wird förmlich dazu gezwungen. ´Black Sails´ erinnert nicht nur textlich an die guten alten RUNNING WILD. Mit ´World At War´ gibt es auch eine fast schon progressiv anmutende Nummer, die aus mehreren Teilen zusammengestellt ist. Trotzdem wirkt alles homogen und mitreißend. Für mich steht einer der Sieger des Abends jetzt schon, zu so früher Stunde, fest. Dabei geht es hier nicht um Sieg oder Niederlage, nur um Metal. Solang es Bands gibt wie DEMONS DREAM oder die Heidelberger HELL PATRÖL ist mir um die Zukunft des Speed Metal nicht bange.

Dass hiernach die für mich stilistisch unpassendste Band des Abends folgt… Ich lasse es einfach so stehen. Die ENDTIME PROPHETS aus Kaiserslautern sind  Nachfolger der in den 90ern aktiven DARK. Der Sänger Michael Löchter, mit Kapuze, zuerst denke ich an MAYFAIR, (Spielen die auch Black Metal? – Anm. v. UV) aber das Niveau wird für mich nicht erreicht. Im Gegenteil, ich werde an die Gothic-Zeiten von PARADISE LOST erinnert. So suche ich erst einmal das Weite und besorge Verpflegung. Allerdings flüchten nicht alle. Es gibt also Interesse an dieser Art Musik.

Thrash der melodischen Art bieten die Franzosen DEFICIENCY. Besonders gut funktioniert hier das Laut-Leise und die Dynamik. Gelungen finde ich die Akustikeinlagen, die immer wieder eingestreut werden. Das läßt mich an frühe METALLICA denken, die dieses Element am Anfang auch immer wieder einmal nutzten. Ansonsten ist die Truppe doch etwas heftiger unterwegs. Augenmerk auf Melodien wird trotzdem groß geschrieben. Leider (ein letztes Mal heute) ist die Position am Bass zu besetzen. Hier springt kurzfristig Melanie ein, Notenblätter kleben an ihren Monitorboxen, einfach zu ihrer Sicherheit, benutzen muß sie sie kaum. Mit zunehmender Spielzeit verfliegt die letzte Unsicherheit. Wer sie erst am Ende des Auftritts sieht, könnte sicher meinen, sie gehört zur ständigen Besetzung. Respekt! Und der Applaus, der ist redlich erarbeitet.

Wenn der kleine Bruder von Hagrid auf der Bühne steht, sind keine magische Geschöpfe zu erwarten. Eigentlich nennt er sich auch Andreas Magus und bedient den Bass bei BEWITCHER. Magisch ist das aber auch, was hier geboten wird. Irgendwie in der NWoBHM verwurzelt, mit einer ziemlichen Schlagseite in Richtung VENOM und/oder MOTÖRHEAD rasen sie über die Bühne und in die Gehörgänge. An der Gitarre und Gesang Mateo von Bewitcher, also Pseudonyme können sie schon mal. Und Mucke auch. Schnell, rasend, geil, die Meute tobt. Der Drummer, optisch mit Schnauzbart und rotem Stirnband eine Mischung aus Magnum und Rambo, entledigt sich irgendwann fast aller Kleidungsstücke. Die Dreads Mateos fliegen, Hagrid grinst, Satanic Speed Metal kann verdammt gute Laune verbreiten. Wer wie Andreas Magus ein CANDLEMASS-Shirt trägt, darf auch mal langsam, diese Passagen lockern den Sound gut mal auf, dürften auch noch noch öfter auftauchen. Die Traube am Merchstand ist also nicht verwunderlich.

Die letzten vier Alben der Schweizer EMERALD waren schon in grün gehalten, passend zum Bandnamen. Das letzte in dieser Reihe ist gerade erst erschienen. ´Restless Souls´ heißt es und in den letzten Tagen war viel darüber zu lesen. Solcher Hype macht mich schon mißtrauisch, und so bin ich gespannt, neugierig aber auch ein wenig skeptisch, als die einzige Band mit Keyboard an diesem Tag die Bühne entert. Dass der Keyboarder recht wenig zu tun hat, ist nicht schlimm. Druckvoller Power Metal geht auch ohne Geklimper. Mit ´Freakshow´und ´Son Of Sam´ wird das aktuelle Studiowerk auch vorgestellt und findet sich später sicher in der ein oder anderen Sammlung. Insgesamt gefällt mir die Chose tatsächlich besser als erwartet und ich freue mich auf ein nächstes Mal mit längerem Programm. Nachdem bei BEWITCHER sich die Sonne hinter Wolken versteckt hatte, zur guten Laune der Eidgenossen traut sie sich jetzt wieder heraus.

Thrash Metal steht bei mir eher weniger auf der Speisekarte. CRISIX allerdings stehen zumindest in der Livesituation jetzt ganz oben im Menüplan. Erinnerungen an ANTHRAX werden wach, wenn man Gitarrist Albert Requena zuschaut. Der springt über die Bühne wie ein wildgewordener Flummi. Ruhepol geht anders… Und es folgt nicht weniger als ein verdammter Abriss. Die Abrissbirne, die Fans in der Reihe zwei nutzen, um ordentlich auszurasten. Und das geht mit aller Macht und ohne Kompromisse. Es geht soweit, dass Sänger Juli Bazooka Luftballons in die Meute wirft. Der Gedanke ist ein neues Spiel: Football of Death. Das geht rund, ein Wunder, dass bei solche Aktionen keine Knochen brechen. Ein musikalischer Höhepunkt, die dreckigste Fassung von ´Ace Of Spades´, die ich jemals zu Ohren bekommen durfte.

Acht Bands aus der ersten Reihe zu beobachten, dies Experiment ist zum Scheitern verurteilt. Davon zeugt zu allererst ein Sonnenbrand. Bei der letzten Band verläßt einen dann schon mal die Kondition. In diesem Falle ist das VISIGOTH. Also wird ein guter Auftritt (es gibt Stimmen, die sagten, die Form war schon besser) eher vom Seitenaus beobachtet. Die Setlist überzeugt, es gibt die großen Songs beider Alben. Meine Highlights ganz klar ´Steel And Silver´ und ´Traitor’s Gate´. Dieser Gig ist zumindest Grund genug, darüber nachzudenken, ein paar Tage später am Vatertag den Termin in Mannheim wahrzunehmen.

Nach einem Brunch mit beteiligten Bands am nächsten Morgen, wenn auch nicht allen, fahren die letzten Gäste glücklich nach Hause. Und da erste Bands schon gerüchtet werden, ist für viele klar, 2020 sind wir alle wieder da. Versprochen.

Mit Fotos wurde ich von Nikolas Bremm unterstützt.

Weitere Infos, vor allem für Iron Fest 2020, findet ihr hier unter: https://ironfest.de/