Redebedarf

VANDERMEER

~ Interview mit Harmke van der Meer, Florian P. Stiefel und Jo Hansson ~

~ PANISCHE ZEITEN!!! ~


VANDER-wer??? Als Liebhaber alter Filmkunst aus den 1930, 40 und 50er Jahren, vorwiegend Horrorstreifen, bin ich eher zufällig über ein geiles Video im Netz gestolpert. Dieses zeigt Ausschnitte aus dem Klassiker ´White Zombie´ – und dann noch diese unglaubliche Musik dazu. WOW, dachte ich mir!? Verantwortlich für die coolen Klänge zeichnen VANDERMEER, die erst kürzlich mit `Panique Automatique` ihr zweites abendfüllendes Album auf den Markt gebracht haben.

Doch wer oder was sind VANDERMEER? Fragen, die ich hier mit Sängerin Harmke van der Meer, Gitarrist Florian P. Stiefel und Viersaiter Jo Hansson zu erörtern versuche. Und da die meisten unter Euch, ebenso wie ich auch, zuvor wahrscheinlich noch nicht mit der Truppe aus Trier in Berührung gekommen sind, gewähren uns meine Gesprächspartner zunächst einmal einen Einblick in den Werdegang von VANDERMEER… Here we go:

Florian: „Harmke und ich haben als Singer/Songwriter-Duo angefangen. Wir spielten ein paar Songs, die Harmke vor Jahren schrieb, und auch den ein oder anderen Covertitel. Es folgten ein paar Wohnzimmer-Konzerte und Kneipen-Gigs. Zudem schrieben wir für ein Studenten-Theater-Projekt ein paar Songs. 2012 haben wir dann bei einem Online-Bandcontest mitgemacht – vollkommen ohne Ambitionen. Das heißt, wir hatten, ohne weiter darüber nachzudenken, eine unserer Kompositionen bei dem `Quattropole-Song`-Wettbewerb eingereicht, und die ganze Sache total aus den Augen verloren. Ein grenzüberschreitender Contest, an dem Musiker aus Metz, Luxemburg, Trier und Saarbrücken teilnahmen. Den Song hatten wir vollkommen dilettantisch zu Hause aufgenommen, haha. Das Lied heißt ´All Is Fair In Love And War´ (…der Song zum oben erwähnten Video übrigens – Anm. d. Verf.). Später nahmen wir das Stück für unsere erste Platte erneut auf. Tja, und ein halbes Jahr danach wurde uns mitgeteilt, dass wir den Preis doch tatsächlich gewonnen haben. Auf die Schnelle mussten wir ein Programm auf die Beine stellen – aber mit Band. Vier Gigs in der Großregion Luxemburg, Metz, Saarbrücken und Trier standen an. Also brauchten wir einen Bassisten und Schlagzeuger, damit wir den Song und ein paar Weitere überhaupt live spielen konnten. So wurde aus dem Duo eine richtige Band. 2013 nahmen wir nach einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne unser erstes Album ´Polygraph´ auf. 2014 kam Jo Hansson als Bassist in die Band. Ich spielte mit ihm übrigens zuvor schon einmal in einer Kapelle. 2016 stieß letztendlich Schlagzeuger Bernd Erasmy hinzu und wir fingen nochmals bei Null an. Die alten Songs warfen wir alle über Bord und schrieben neues Material. Der Stil änderte sich gewaltig. Mehr und mehr wurden die Songs und der Sound komplexer. Tja, und jetzt sind wir da, wo wir sind.“

Wie kam es dann zum Bandnamen? Einerseits ein sehr einprägsamer, cooler Name – andererseits könnte man dahinter aber auch ein Projekt von Frontfrau Harmke van der Meer vermuten…

Harmke: „Naja, in den Niederlanden, woher ich komme, ist der Name „van der Meer“ sehr verbreitet – ähnlich wie Müller oder Schmidt in Deutschland. Eigentlich war ich damals dagegen, dass wir die Band so nennen, doch die Jungs haben mich überstimmt, weil der Name so eingängig klingt. VANDERMEER ist aber eine komplett basisdemokratische Band, in der sich jeder einbringt und nicht mein Solo-Projekt. Will heißen: ich bin nicht die Diktatorin, die sagt wo es langgeht. Egal, welche Entscheidung auch ansteht: wenn sich nur einer bei einer Sache nicht wohlfühlt, wird es nicht gemacht.“

Die musikalische Vielfalt auf ´Panique Automatique´ ist schon erstaunlich und gleichermaßen beeindruckend – das habe ich ja auch bereits in meiner Rezension mit vielen verschiedenen Vergleichen versucht zu beschreiben. Wo seht ihr euch denn selbst am ehesten? Indie-Rock vielleicht???

Harmke: „Schwierig. Indie ist ein weiter Begriff und kann alles sein. Wir mögen die bisherigen Vergleiche alle sehr gerne – manche haben uns aber auch wirklich überrascht. Einige Bands kannten wir noch gar nicht. Es ist schon sehr spannend, was andere in deiner Musik entdecken und heraushören. Ich denke, die Vielfalt der Vergleiche und die Vielfalt der Musik auf unserer CD, zeigen auch sicherlich unseren ureigenen und breitgefächerten Musikgeschmack. Zu Hause macht man ja auch nicht einfach die Ohren vor allem dicht, was nicht beispielsweise Shoegaze ist. Uns selbst würde ich  im Bereich Indie Pop/Indie Rock mit Shoegaze-Einflüssen einordnen, aber darüber lässt sich sicherlich diskutieren.“

Florian: „Ich mag ja Alben, die abwechslungsreich sind. Andere mögen es, wenn ein Stil die ganze Zeit durchgezogen wird. Mich langweilt das eher. Mir geht es oft so, dass ich mir Platten anhöre, auf denen dann nur zwei geile Nummern drauf sind, und alle anderen Songs sind Variationen davon. Alles in einer Stimmung. Es ist aber auch halt Geschmackssache. Vielleicht funktioniert unser Album ja auch als Playlist? (…sehr interessante und durchaus auch zutreffende These, wie ich meine – Anm. d. Verf.) Diese sind ja, seit dieses schwedische Algorithmus-Unternehmen, das mit S anfängt und Y aufhört, so hip und wichtig geworden – sagen jedenfalls immer alle…“

Aber welche dieser immer währenden, verschiedenen Vergleiche, haben denn nun auch tatsächlich Einfluss auf euer Wirken und euren Sound genommen? Ich möchte Namen hören, hahaha…!

Harmke: „Auch schwierig. Was mich betrifft, stimmt GOLDFRAPP und PORTISHEAD schon – BLONDIE auch, da aber eher die früheren Sachen.“

Florian: „Also um ehrlich zu sein, von all den Vergleichen hat mich keine Band beeinflusst. Man möge mich rügen, aber von STEREOLAB zum Beispiel hab‘ ich zuvor noch nie was gehört, haha. Und wir klingen überhaupt nicht so – finde ich zumindest. LUSH war auch nie so mein Ding. MY BLOODY VALENTINE habe ich auf Platte, aber ein Riesenfan war ich nie. Grundsätzlich finde ich es aber sehr spannend, mit welchen anderen Musikern wir verglichen werden.“

Was steckt den eigentlich hinter dem etwas „ominösen“ aber auch gleichermaßen, geilen Albumtitel `Panique Automatique`? Irgendeine bestimmte Message…?

Jo: „Der Titel kam aus einem spontanen Brainstorming. Hier kristallisierte sich erst im zweiten Schritt heraus, was er eigentlich bedeuten kann: eine kritische Betrachtung der Social Media-Welt – dort sind ja derzeit auch bei bedeutungslosen Anlässen urplötzlich Shitstorms zu beobachten und alle geraten total in Panik.“

Florian: „Und nicht nur das. Darüber hinaus transportiert der Titel die immense Schnelllebigkeit unserer Zeit und den ganzen Anpassungsdruck, der dadurch entsteht. Das führt zu Stress und Panik, nicht allem und jedem gerecht werden zu können, obwohl man das will oder muss. Das spiegelt sich ja auch in der stilistischen Vielfalt unseres Albums wider.“

Womit beschäftigt ihr euch inhaltlich – in den Texten? Gibt es diesbezüglich bevorzugte Themen und aus wessen Feder stammen die Lyrics?

Harmke: „Das kann alles sein: Zwischenmenschliches, Politisches, Traumsequenzen etc.. Jo arbeitet gerne mit Ideen aus Büchern, mich hingegen inspiriert aber eher der Alltag – was mich aufregt oder berührt.“

Florian: „Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass es eine Innerlichkeits- und Befindlichkeitsplatte geworden ist. Der rote Faden sind die zwischenmenschlichen Momentaufnahmen, zwischen Aufbruch, Neuorientierung und Selbstfindung in diesem ganzen Schnelllebigkeits-Wahnsinn.“

Wer zeichnet bei VANDERMEER eigentlich für das Songwriting verantwortlich – Teamwork?

Harmke: „Das Songwriting ist tatsächlich Teamwork. Die Stücke entstehen auf die unterschiedlichste Art und Weise: mal komplett zusammen im Proberaum, mal hat einer eine Idee und bringt sie mit und mal laden wir was in die gemeinsame Online-Dropbox. Genau kann ich es eigentlich gar nicht beschreiben, aber jeder einzelne Song ist gemeinsam zu dem geworden, was er ist.“

Live habt ihr zur Veröffentlichung von ´Panique Automatique´ ein paar Release-Shows gespielt. Stehen noch weitere Konzerte, Festival-Shows oder gar eine Tournee an?

Harmke: „Im Herbst planen wir gerade eine kleine Tour im ostdeutschen und süddeutschen Raum, vielleicht noch in der Schweiz und rund um den Ruhrpott. Mal sehen, was sich da so alles machen lässt. Für die Festivalsaison waren wir mit unserer Veröffentlichung leider zu spät dran – vielleicht ergibt sich noch etwas, aber das wird dann wohl eher nächstes Jahr werden. Unser Ziel ist ja doch vorrangig das Spielen. Live ist immer noch einer der schönsten Momente beim Musik machen.“

Wo soll denn die Reise mit VANDERMEER letztendlich hingehen? Ich meine nicht nur musikalisch. Habt ihr euch persönlich irgendwelche Karriereziele gesteckt, oder Erwartungen und Wünsche?

Harmke: „Naja, nach der Platte ist ja bekanntlich vor der Platte. Die nächsten Songs sind schon so gut wie fertig und im Sommer wollen wir bereits mit den Aufnahmen beginnen. Im Herbst folgt dann eben die bereits angesprochene ´Panique Automatique´-Tour – im Winter der ganze Wahnsinn rund um den Release drum herum, und dann im nächsten Jahr wieder ein weiteres Album rausbringen. Und natürlich live spielen, spielen, spielen – soviel wie irgend möglich. Dafür macht man das Ganze ja schließlich auch…“

Hehre Ziele, die sich die Band da für die nähere Zukunft gesteckt hat. Ich für meinen Teil werde VANDERMEER auf ihrer weiteren Reise auf jeden Fall begleiten.