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SAMSAS TRAUM – Scheiden tut weh / Das vergessene Album

~ 2018 / 2019 (Trisol Music Group / Soulfood) – Stil: Black Heavy Samsa Metal ~


Kaia sitzt verstört und zusammengekauert, Schutz suchend unter ihrem Pilzkörbchen. Was ist geschehen? Alexander Kaschte hat auf seinem unheiligen Kreuzzug zur Eroberung der immerwährend miesesten Kritiken der großen Fachpresse für seine Black Metal-Werke erneut zugeschlagen mit einem „vergessenen“ Album und die Arme scheint direkt in sein unchristliches Oratorium hineingeschlendert zu sein.

 

 

Manch‘ ein kreativer Kopf scheint bisweilen mit Ideen zu explodieren und rutscht in Gemütsphasen, in denen großartiges Material erstmal in die Schublade gesteckt wird. So ist es zu erklären, dass das 2018 erschienene Album `Scheiden tut weh´ eigentlich aus bereits 2008 entstandenen Songs besteht, daher auch treffend der Titel der gerade auch auf Vinyl erschienen, keyboardlosen (Hartwürste – HURRA!) Version `Das vergessene Album´.

Bevor das wirklich neue Album `Tinodea 2´ dieses Jahr (hoffentlich) die Anhängerschar beglückt, ist das anstehende Osterfest umso mehr ein Anlass, sich mit dieser letzten, mit Christusnägeln gespickten Keule aus dem Hause SAMSAS TRAUM auseinanderzusetzen. Unser musikalisches Chamäleon hat nach der brillanten Abrechnung eines düsteren Kapitels deutscher Vergangenheit (`Poesie: Friedrichs Geschichte´) mal wieder in der eigenen Sammlung tiefer gestimmter Gitarren gewühlt und sich überlegt, wie er den ihm zuwideren christlichen Glauben zerlegen kann. Das ist ihm selbstredend mit Bravour gelungen, wie man bestimmt anhand niederster Wertungen irgendwo 2018 lesen konnte.

 

 

Umstrittene Genialität hat einen Namen. Gestatten: Kaschte, Alexander – Gesang, Rhythmusgitarre, Programmierung. Seit jeher bewegt er sich außerhalb seines abgefahrenen Noise-Alter-Egos WEENA MORLOCH zwischen postpunkigen Indie- bis NDW-Hymnen, hymnisch-poetischen Märchen für Erwachsene, Düsterrock , jüngst auch orchestral-epischem Avantgarde-HipHopRock und eben – Black Metal. Seine Anhängerschaft – die Käferarmee – frisst ihm aus der Hand und hat verdammt nochmal recht damit. Was steht heuer auf der SAMSA’schen Schlachtplatte ?

Erstmal mehr Metal, weniger exzentrisch-experimentell und somit aus einem Guss. Auch vor dem ureigenen, cleanen Gesang Alexanders oder Mitwirkung von Gastsängerinnen muss der ernsthafte Schwarzträger diesmal keine Bange haben. Mit einem herzhaften „Kyrie Eleison“ startet das Album herrlich schwarzmetallisch und malt uns ein Harndrang-Bild der (fast) unbefleckten Maria (`Die Taufe´). Sogleich fällt die fette Produktion als auch eine weltklasse Instrumentalfraktion mit Michael „Cain“ Beck (Schlagzeug), Luca Princiotta (Lead- & Akustikgitarren als auch Soli) & Gerrit Wolf (Bass) auf, die jeden Neider zum Schweigen verurteilt und Melodien zum Niederknien zaubert.

Tat das `Heilige Herz´ damals produktionstechnisch ab einer gewissen, nötigen Lautstärke doch etwas weh im Gehörgang, killt diese einfach nur auf angenehmste Weise. `Dein bleicher Wolf´ ruft den Sänger Alex hervor, während über die meisten Strecken des Albums gegrowlt wird, was das Zeug hält. Lieber Schieber, das kommt schon fast einer True Metal-Hymne gleich – genauer betrachtet nicht nur fast, sondern truer könnten Gitarrenriffs nicht in die blutige Schlacht galoppeln.

 

 

MEHR HASS! Den versprüht die `Parasitenfotze´, die natürlich förmlich nach einem multimedialen Shitstorm schreit, während sie Hörerhirne zerknüppelt, doch gelassen lehnt sich der Meister wahrscheinlich diabolisch lächelnd in einem dornenbesetzen Ohrensessel zurück. Black Metal geht abermals eine innige Umarmung mit True Metal `Im Tal des schwarzen Mondes´ ein und präsentiert einen ohrwurmartigen. gesungenen Refrain.

Im Tal des schwarzen Mondes
Werden wir uns wiedersehn
Und wie damals unsre Väter
Auf den Herzen der Kinder stehn.

`Auch du´ würdest bei einem Livekonzert mit gereckter Faust laut mitsingen. Bin ich mir mal sicher. Die Überzahl dieser Songs besitzen eine unglaubliche Power, die live eine nichtwissende, jedoch aufgeschlossene, geneigte Zuhörerschar exponentiell infizieren könnte.

Das zentrale Kernstück für mich ist der textliche Gipfel der Provokation, aber auch der Kompromisslosigkeit, die so manchen Show-Schwarzmetaller weinend das Weite suchen lässt: `Ich bin der Antichrist´.

Die Menschheit ist verdorben, an Christentum erkrankt,
Der Krankheit armer Leute, dem Aufstand kleiner Bauern.
Die Menschheit ist verdorben, entwertet und verneint,
Ein Haufen fauler Scheiße, in Selbstmitleid vereint.

Danach hat man sich wahrlich eine Verschnaufpause verdient, der zwar nicht mit einem Schmusesong, jedoch im titelgebenden `Scheiden tut weh´ mit einer stimmigen Viking Metal-Hymne Folge geleistet wird. Ohne Luft holen zu können, begeben wir uns zu einer sagenumwobenen, letzten Ruhestätte und stellen erstaunt fest: `Das Grab war leer´. Ein Hit, der sich zu einer typischen SAMSA-Alltime-Playlist gesellen sollte. Ganz groß, metallisch glänzend, walzt sich dieses Lied zwischen deine Ohren und bereitet auf einen weiteren galoppierenden Höhepunkt vor, denn von nun an singen alle braven Kinder `Das Madenlied´ .

Alle sind gleich vor der Made – sie ist gerecht.
Alle sind gleich vor der Made – ihre Liebe ist echt.
Alle sind gleich vor der Made – sie irrt sich nie.
Alle sind gleich vor der Made – keine ist wie sie.

Ein wahrer Brecher vorm Herrn (egal ob derjenige von oben oder unten) – ebenso der abschließende, klassisch-epische, fast US-Style-taugliche Metalsong `Dafür sind Helden da´.

Die Vinylfraktion dreht nun die Scheibe auf Anfang, der digitale Dunkelmensch freut sich, denn er bekommt noch einen Kranz aus `Dornen´ aufs Haupt, welches ihm das Herzblut von VOIVOD und TRIPTYKON über die glücklichen Wangen fließen lässt.

 

 

Ich habe mich nun zwei Wochen intensiv mit diesem schwarzen Stück Stahl auseinandergesetzt und um mich herum fast alles stehen und liegen gelassen, das sollte einiges verdeutlichen. Mir ist wohl bewusst, dass die textliche Seite Erklärungsbedarf fordert (oder eben auch nicht) und so manchen überfordern, abschrecken und vertreiben mag. Doch wer das Gesamtoeuvre der Kunstform SAMSAS TRAUM näher betrachtet, weiß, dass hier weitaus mehr dahintersteckt, als pure Provokation um ihrer selbst Willen. Dies verdeutlicht zudem die Tatsache, dass Texte von August Heinrich Hoffmann Von Fallersleben, Hermann Hesse und sogar dem Evangelium des Markus als Grundlage dienen.

Musikalisch gibt es wie auch bei allen anderen bisherigen TRAUMhaften Stilinkarnationen gar nichts zu mosern – diesmal noch nicht einmal die bereits erwähnt kraftvolle Produktion. Diese schwarzmetallische Offenbarung dürfte auf alle Fälle die Anhängerschaft von ATROCITY nach deren Rückbesinnung auf alte Tugenden beglücken. Da das Auge mitketzt, sei das überragende Artwork beider Veröffentlichungen für den Gourmet noch erwähnt.

Liebe macht frei!

(treibt mir die Nägel ins Fleisch – ich stehe hier und kann nicht anders – 9 Ostereier)

(„Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor.“ – Anm. d. Red.)

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