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JADU – Nachricht vom Feind

~ 2019 (Deserteur / Groove Attack) – Stil: Epischer Avantgarde Pop ~


So. Schluss mit Lustig. Gerade jetzt, wo sich alle Welt – ungebildet oder hinterfragend – über das neue RAMMSTEIN-Statement auslässt, ist die richtige Zeit für die `Nachricht vom Feind´. Ich lasse mich sehr gerne für den `Feldzug Berlin´ rekrutieren, denn – hey – „ich hab‘ nichts mehr zu verlier’n“.

Wie auch die „Germania“ aus dem skandalösen (?) cineastischen Meisterwerk der Deutschlandspalter trägt JADU ihre „nichtdeutsche“ Hautfarbe mit Stolz und zum Trotz im uniformierten Stil der arischen Rasse. Und Recht hat sie dabei. Diese Platte lädt nicht ein zum Hinterfragen, sondern zwingt euch dazu, ob ihr wollt, oder nicht. Deshalb werde ich in der Hoffnung auf die geistige Reife unserer Leser keine Titel, Textaussagen oder Optik kommentieren, sondern lasse die Musik sprechen.

 

 

JADU spricht mir als Streetclip-Frauenbeauftragtem – neben Jürgen Tschamler – aus dem Herzen, wenn sie bei musikalischer Güte erster Kajüte klare Worte über Frauenpower, häusliche Gewalt, Sehnsucht und animalisches Verlangen findet.

Du tust mir Weh, ich freu‘ mich, dich zu seh’n
Teuflischer Glanz in deinen Augen, der Sturm hat sich gelegt
Küss‘ die Hand, die mich schlägt
Wiegen uns im Freudentaumel, dein raues Wort fährt in mein Herz
Behalt es dort, ich teil‘ dein’n Schmerz
Die Sonne scheint, bis die Dunkelheit uns auffrisst

„Hey das ist doch die Alte von dem Rappertypen“ haten die RAMMSTEIN-Rookies und ich gratuliere euch für so viel geistige Schwerstarbeit. JADU braucht keine Empfehlung, keine Connections, keinen, der sie am Händchen hält. Sie ist die Marlene Dietrich der Neuzeit, die sich nicht instrumentalisieren lässt. Sie ist eine moderne Frau. Eine Künstlerin, die Musik aus einer Parallelwelt für die heutige Zeit macht.

 

 

Getragen, ruhig, hymnisch und intelligent entfaltet sich ein Werk, welches neben den Extrem-Feingeistern von JANUS bestehen kann und dem Patriarchat den erhobenen Mittelfinger zwischen die Augen hält wie einst die unerreichte, alleinige ÜBERMUTTER. Da ich einfach nur noch lausche und keinen klaren Gedanken fasse kann, schenke ich mir (bis zur Punktevergabe) jegliche Beschreibung der ersten Seite, sondern fordere jeden Interessierten dazu auf, diese einfach mal nur wirken zu lassen, so wie das Umweltstatement `Friedliche Armee´, welches sich abseits der ignoranten Menschheit nur die Bewohner des Auenlandes auf ihre Fahnen schreiben würden:

Der Wind ist der Einzige, vor dem wir uns verbeugen
Hab’n so vieles überlebt, wir sind die Kronzeugen
Schützen diese Gegend, blüh’n auf, wenn es regnet
Ein Hoch auf das Leben
Hundert Jahre unberührt, jetzt kleben an mir Tränen
Es gibt die, die uns umarm’n und die, die uns zersägen
So alt wie ein Baum möchtest du werden
Warum lasst ihr uns dann alle sterben?

Wer dann noch mag, den erwartet `Bedingungslose Liebe´, die mit sanfter Macht und Bläsern aus dem Tarantino-Universum verzaubert. Einen `Weltenbrand´ entfacht JADU ganz unkonventionell instrumentiert mit fast flüsternder Stimme, bis die `Sirenen & Wagner´ als todernstes Liebeslied über blinde Abhängigkeit in epischen Gleichschritt treu durch die Boxen marschieren, um niemals aufzugeben – bis zum bitteren Ende, das die historische, umstrittene Titelheldin des Liedes von ihrem geliebten Monster selbst gesetzt bekommt.

All die Jahre vergeh’n
Das Leben zieht eine traurige Spur an uns vorbei
Ich will die Wahrheit nicht seh’n
Keine Lüge, die ich dir nicht verzeih‘

 

 

Ganz großes Kino! Und die Vorhänge verschließen die musikalische Leinwand noch lange nicht. Das Metropolis Orchester Berlin und eine Gitarre für ein Halleluja hilft unserer Kämpferin, das Grande Finale `Der Feind – Frühling in Schwerin – Die Erlösung´ im Geiste Kate Bushs zu durchstehen, um sich standesgemäß mit Grammophon-Knistern und dem `Epilog´ zu verabschieden.

Liegst im Regen meiner Worte die ich auf dich niederschrie
Du bist froh, dass es vorbei ist, jetzt tut es nicht mehr weh
Er ist der Grund, dass es aus ist und es ist Zeit für dich zu geh’n

Solch‘ ein sehr persönliches Werk mit seinen Aussagen findet man heutzutage absolut selten und ist somit ein essentielles, musikalisches Meisterwerk, wenn nicht sogar ein Klassiker deutschsprachiger Liedkunst. Mein Herz und meine Zehn ist ihr sicher, objektiv muss ich Luft nach oben lassen, auch wenn ich nicht weiß, wie man noch irgendwas besser machen könnte und verbleibe in Frieden mit:

9 mal bedingungsloser Liebe für ihren sympathischen Blitzkrieg uniformierter Art. Friss & Stirb!

https://de-de.facebook.com/Jadulaciny/

https://jadu.berlin/bio/


Photocredits:
(1) Benedikt Hugendubel
(2)+(3) I AM JOHANNES