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ZARPA – Viento Divino

~ 2019 (Pure Steel Records) – Stil: Heavy Metal ~


Die Pranke (spanisch: ZARPA) schlägt wieder zu!

Seit nunmehr  42 Jahren verbreitet die aus Mislata (Provinz Valencia) stammende Band den Schwermetall auf der iberischen Halbinsel und haben somit bereits mehrere Generationen  langhaariger und lederbekleideter Heranwachsende durch ihre wilde Jugend begleitet. Zusammen mit Bands wie BARON ROJO, OBUS, ANGELES DEL INFIERNO und MURO bilden sie die Gruppe der Titanen auf deren Heldentaten die heutige spanische Metalszene nicht nur zurückschaut, sondern ohne die sie in ihrer heutigen Form auch nicht denkbar wäre.

Man führe sich alleine vor Augen, dass die erste LP von ZARPA im Jahre 1978, also drei Jahre vor den Debüts von BARON ROJO und OBUS, sechs Jahre vor jenem von ANGELES DEL INFIERNO und sogar eine ganze Dekade vor dem legendären Livedebut von MURO erschienen ist. Für Spanien begann 1978 eine neue Zeitrechnung, denn im Dezember jenes Jahres trat die erste demokratische Verfassung seit 1936 in Kraft und ZARPA nahm sich der Jugend an, um sie in eine ungewisse Zukunft zu führen, die auf die meisten von ihnen irgendwo zwischen hoffnungsvoll und beängstigend gewirkt haben muss. Heavy Metal war noch ein Tabu und außerhalb von Madrid die Bedingungen für eine Heavy Metal-Band alles andere als optimal.

Aber das soll es jetzt auch an Geschichtsunterricht gewesen sein.

Anders als die oben aufgeführten Bands, die zumeist zu Coverbands ihrer selbst geworden sind und vom Ruhm vergangener Zeiten leben, haben ZARPA während ihrer offiziell aktiven Zeit (s.u.) nie aufgehört, regelmäßig neue Alben zu veröffentlichen.

Ihr Werk kann dabei in zwei Perioden unterteilt werden.  Die erste reicht lediglich bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1988 und umfasst die ersten drei Alben von 1978, 1983 und 1984. Zwar wurde im Jahr 1987 noch das Album ´En Ruta Hacia Europa´ in der Schweiz aufgenommen, dieses erblickte aber erst 2003 das Licht der Welt.

Die zweite Periode beginnt mit einem Neustart im Jahr 1999 an welchem lediglich noch Sänger und Gitarrist Vicente Feijóo Aparisi von der Gründungsriege beteiligt war.  Mit dem Album ´Infierno´ aus dem Jahre 2003 nahm sie das deutsche Label „Karthago Records“ unter Vertrag und veröffentlichte mit ihnen insgesamt vier Studioalben. Als Dank für die Aufnahme im Label enthält das Album ´Las Puertas Del Tiempo´ aus dem Jahr 2012 den Titel ´Karthago´.  Nach dem Zusammenschluss von „Karthago Records“ und „Pure Steel Records“ nahmen letztere sie unter ihre Fittiche und haben mit ihnen bis heute, zählt man ´Viento Divino´mit, bereits drei Release herausgebracht. Wer jetzt mitgerechnet hat kommt seit 2003 auf sieben Veröffentlichungen. Schaut man aber in die Discographie, dann entdeckt man für den gleichen Zeitraum ein Vielfaches an Alben (´Viento Divino´ist insgesamt das 28. seit 1978). Der Grund für diese Diskrepanz ist denkbar einfach. Diese zusätzlichen Alben sind limitierte Sammlereditionen, welche von der Band (also von Mastermind Vicente Feijóo Aparisi) selbst in Umlauf gebracht werden. Neben kompletten bisher unveröffentlichten Alben (fünf aus dem Zeitraum 1978 bis 1992) handelt es sich hierbei häufig um eine Resteverwertung von Stücken, die während des Schaffensprozesses für ein reguläres Albums entstanden sind, es aber nicht auf den endgültigen Release geschafft haben.

Nach eigenem Bekunden schreibt Vicente Feijóo bis zu über 50 Stücke im Jahr, wovon er dem Label rund 20 für ein neues Album zuschickt. Das Label nimmt dann nach einem Punktesystem die endgültige Auswahl vor. Das ist wahrlich ein sehr aufwändiger und langwieriger Selektionsprozess, den man auch sehr schön am demnächst erscheinende Album demonstrieren kann. Im Vorfeld von ´Viento Divino´ sind nämlich bereits drei Sammlereditionen (´Expulsados Del Eden´, ´Castigados Al Exilio´ und ´En la Alambrada´) mit insgesamt 34 Stücken erschienen. Mit der an das Label verschickten Auswahl erhalten wir also die angesprochenen über 50 Songs.

 

 

Im Falle von ´Viento Divino´ sind 10 Stücke übriggeblieben die knapp 48 Minuten lang genau das bieten, was man von ZARPA erwartet. In Anlehnung an Gertrude Stein kann man das auch so umschreiben: „ZARPA ist ZARPA ist ZARPA“.

ZARPA liefern nämlich auch auf diesem Album klassischen, unaufgeregten und grundsoliden 80er-Jahre Heavy Metal mit hohem Wiedererkennungswert. Letzteres vor allem durch die dunkle, leicht raue, aber immer auch melodische Stimme von Vicente Feijóo. Unaufgeregt und grundsolide sollen hierbei keineswegs im negativen Sinne verstanden werden. Wer Vicente schon mal persönlich begegnet ist, der weiß, dass diese Adjektive auch auf den netten älteren Herrn zutreffen. Man sollte jetzt aber auch keinen altbackenen Heavy Metal vermuten, denn gerade die schnelleren Stücke weisen alle Merkmale des modernen Powermetals auf, inklusive eines genretypischen, in meinen  Ohren etwas monotonen Schlagzeugspiels, wofür es von mir auch einen halben Punkt Abzug gibt. Übrigens kommen solche Stücke auf den Sammlereditionen praktisch nicht vor. Diese Art von Powermetal scheint dann doch eher eine Vorliebe von mittel- und nordeuropäischen Hörern zu sein und werden wohl auch deswegen bevorzugt vom Label ausgewählt.

ZARPA ist sich aber in Summe über die vielen Jahre hinweg stets musikalisch treu geblieben. Die Musik ist sicherlich im Laufe der Zeit etwas druckvoller geworden, aber immer abwechslungsreich geblieben. ZARPA hat nie den Fehler begangen, in klassische Heavy-Metal-Stereotypen zu verfallen. Es gibt gefühlvolle Halbballaden wie ´Yo Contra El Mundo´(Ich gegen die Welt), orientalische Klänge wie zu Beginn von ´Los Ojos De Ibrahim´ (Die Augen von Ibrahim) und aus der Klassik entlehnte Gitarrensoli wie in ´La Bestia´, die unwillkürlich den Namen Ingwie Malmsteen  in meinem Hirn formen lassen. Diese Klänge verwundert allerdings nicht, denn spätestes seit dem Album ´Luchadores De La Paz´, auf welchem sich ein Instrumentalstück namens ´J.S.Bach´ wiederfindet, wissen wir, dass Vicente etwas für barocke Klänge und diesen deutschen Komponisten übrig hat. Auf ´Viento Divino´ gibt es aber auch, wie oben angedeutet, zahlreiche dynamisch treibende Stücke mit entsprechenden Gitarrenriffs. Bei anderen Songs wiederum umspielen sich Lead- und Rhytmusgitarre liebevoll während intensiver Soli und auch Vicentes Gesang bettet sich ein ums andere Mal harmonisch in die Melodien ein.

Mit ´Viento Divino´ liegt ein unterhaltsames Album vor, auf welchem neben Vicente Feijóo auch das relativ neue Mitglied Serafín Mendoza (seit 2015) für die Melodien aus den Gitarren sowie Vicente Romero (Bass) und Bienvenido Godoy (Drums) für  die erforderliche Grundhärte sorgen. Aus dem durchgehend hohen Niveau der Lieder auf diesem Album ragen meiner Meinung nach ´Corazón De Dragón´(Drachenherz), ´Yo Contra El Mundo´ und ´El Día Final´ (Der letzte Tag) hervor.

Man kann sich darauf einstellen, dass es demnächst eine weitere Sammleredition geben wird, denn rund 10 Stücke sind ja von „Pure Steel“ aussortiert worden. Auch wenn es sich bei den Sammlereditionen um CD-Rs handelt, so beschränkt weder die Qualität der Pressung noch die der Musik den Kreis der Zielgruppe auf Allessammler und Die-Hard-Fans. Tatsächlich fällt es mir sehr schwer (neben dem Powermetalanteil der Songs s.o.) Gründe zu erkennen, die darüber entscheiden, welche Stücke schlussendlich auf den offiziellen Tonträger gepresst werden und welche nicht. Wem also ´Viento Divino´ gefällt, der sollte, falls sich ihm die Gelegenheit bietet, bei einer dieser auf 100 Exemplare limitierten Sammlereditionen zuschlagen, denn sie sind heiß begehrt und schnell vergriffen.

Dass das Rezept von ZARPA auch live gut funktioniert, konnte man bei einem ihrer wenigen Konzerte außerhalb Spaniens auf dem Swordbrothers Festival im Jahre 2009 überprüfen, wobei angemerkt werden muss, dass ihre Auftritte auch in Spanien eher seltene Ereignisse sind. Wenn sie auftreten, dann wollen sie etwas besonderes für eine größere Gruppe von Fans bieten, so dass auch schon Mal dreieinhalbstündige Konzerte stattgefunden haben, auf denen Stücke aus ihrem gesamten Œuvre dargeboten worden sind.

Auch wenn ich keinerlei Informationen darüber habe gehe ich davon aus, dass Vicente Feijóo wie üblich wieder für so ziemlich alles selbst verantwortlich zeichnet. Musik, Songtexte und das Artwork des Cover, welches in diesem Fall einen Kamikazeflieger darstellen soll. ´Viento Divino´ ist zwar spanisch für ´Göttlicher Wind´, aber eben auch die Übersetzung des japanischen Wortes ´Kamikaze´, womit wir nun auch den Inhalt des Titelstückes kennen.

Wer sich von den Livequalitäten von ZARPA und von der Qualität des neuen Albums persönlich überzeugen möchte, der hat dazu am 11. Mai Gelegenheit. Er muss dafür nur nach Madrid reisen, wo ZARPA ab 22:00 Uhr in der Discothek ´Universo Rock´ in einem über zweistündigen Konzert unter anderem auch ihr neues Album vorstellen werden.

Es wäre schön, wenn wir in nicht allzu ferner Zukunft mal wieder die Gelegenheit bekommen würden, ZARPA auf einem der einschlägigen Undergroundfestivals in Deutschland genießen zu dürfen.

(8 solide Punkte)

 


(VÖ: 17.5.2019)