Redebedarf

METALL – Die DDR, der Heavy Metal und der ganze Rest

~ Interview mit Sven Rappoldt ~


In einem deutschen Metal-Magazin fand zuletzt ein Special zum Heavy Metal in der DDR statt. Neugierig, wie ich bin, habe ich das Heft gekauft und die Artikel gelesen. Leider kann man über die Ausführungen nicht so recht zufrieden sein. Ich finde mich als Fan, der den Osten des Ostens erlebt hat, nicht wieder. Im  Visier der Stasi war ich vielleicht auch, aber nicht als Metalfan, eher, weil ich von vornherein in einer Familie aufgewachsen bin, die nicht so ganz auf der Linie war. Ich war kein Mitglied der FDJ, habe nicht an der Jugendweihe teilgenommen, aber in erster Linie, ich war schon als Kind in der katholischen Kirche aktiv, mit Religionsunterricht, Kommunionvorbereitung, als Meßdiener. Wirklich staatsfeindliche Aktionen gab es von mir eher nicht, außer dass ich mit einem Schulfreund handgeschriebene Plakate mit „Keine Pershing II und SS20 auf deutschem Boden“ in Briefkästen verteilt habe. Ob und wer etwas über mich dem MfS berichtet hat, ich will es nicht wissen, ich habe mich bewußt entschieden, meine Akte nicht lesen zu wollen. Wenn aber jemand aus meiner Jugend vor mir steht, mir sagen will, er hat über mich berichtet und sich entschuldigt, dann halte ich ihm meine Hand hin.

Zum Metal kam ich erst, als in unserer Gemeinde in Wilthen ein neuer Pfarrer arbeitete, der mit Jugendarbeit nichts am Hut hatte. So wechselte ich in den Nachbarort. Und dort lernte ich eine, meine Metalclique kennen. Dort wurde ich angefixt mit ACCEPT, MAIDEN, ANTHRAX, und wie sie alle hießen.

Natürlich war auch das Radio eine Infoquelle für uns, Samstag nachmittags saßen wir mit Kassettenrekorder um die „Tendenz Hard bis Heavy“ aufzunehmen. Falls wir eine leere Kassette hatten. Einmal in der Woche gab es die Beatkiste, eine Art Hörerhitparade, die sich der Rockmusik in der DDR widmete. Dort lernten wir Acts kennen wie BIEST, MCB oder METALL. In der Disco haben wir dem DJ hin und wieder eine Kassette in die Hand gedrückt, war der gut drauf, gab es schon mal ´Master Of Puppets´. (Noch heute habe ich bei Parties ein paar CDs dabei…) Und am Wochenende fuhren wir gelegentlich mit dem Zug nach Putzkau. Im dortigen „Zum Erbgericht“ spielten regelmäßig Bands. Und dort durfte ich auch METALL live erleben.

 

 

Heute, mehr als dreißig Jahre später, stehen METALL mit einem neuen, zweiten Album in den Startlöchern (siehe hier). Zeit für ein Frage- und Antwortspiel mit Urmitglied und Bassist Sven Rappoldt:

Schauen wir erst mal etwas in die Geschichte zurück. Habt Ihr Erfahrung mit dem MfS gemacht?

Erfahrungen haben wir öfters mit dem MfS gemacht, da wir beispielsweise Anträge stellen mussten, wenn wir zum Beispiel an der Rhön auftraten (was nahe der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze ist Anm. d. V.), musste ich beim Veranstalter, der uns eingeladen hatte, von jedem Musiker den derzeitigen Lebenslauf in Kopie mit Blaupapier in 4-facher Abschrift acht Wochen vorher zusenden.

Am Schlagbaum gab es regelmäßige LKW und PKW Kontrollen.

Es gab auch Veranstaltungsorte, vor allen in Berlin, Dresden, Leipzig, wo wir den MfS schon in den Veranstaltungsstätten erkannten, an Ihrer Einheitskleidung (Schwarze Schuhe, braune Kapuzen Mäntel).

In der Regel waren es 70% Fans, 30% MfS, ohne den zugestellten ABV (Abschnittsbevollmächtigter – siehe Wikipedia – Anm. d. V.) meistens in der Nähe des Haupteingangs, oder sitzend in der Wartburg Polizei Tonne.

War das eventuell auch der Grund, Euch in HEADLESS umzubenennen?

Es ging uns darum, wie jeder dachte, der noch im Osten war, kopflos zu sein … da wir dachten, machen wir das Licht hier aus?

Natürlich wollten wir mit dem neuem Namen uns auch international etablieren, was ich heute vom Musikalischen, sowie die Namensänderung als Fehler betrachte.

Der Name METALL war schon 1982 bekannt, und musikalisch wollten meine derzeitigen Mitstreiter in die Richtung Ami Prog Heavy Metal, was nicht meine Baustelle war, und auch nicht werden wird.

Zu Auftritten sind wir Fans ja nicht wegen ´Easy Rider´ gegangen, sondern wegen der Coversongs. Ich durfte Euch in Putzkau sehen. Weißt Du noch, was da bei Euch im Programm war?

 

 

Gerade in den Jahren 1980 – 86 tourten wir alle, als so eine Coverband durch die DDR und Sowjetunion, um für die internationalen Bands, die nicht in der DDR auftreten durften, ein Ersatz zu sein. Wir spielten unter anderem Sachen von MANOWAR, GRAVE DIGGER und JUDAS PRIEST.

Ab Ende 1986 erkannten aber schon viele Bands, dass es keinen Sinn hat als Cover-Band zu touren. Gerade FORMEL1 waren die Vorreiter, mit Berliner Dialekt und Deutschen Texten den DDR Heavy Metal zu etablieren, was allen weiteren Bands zu Gute kam.

Auch wir fingen ab 1986 an, Titel zuschreiben, mit Deutschen Texten (´Eisenhart´, ´Vulcane der Erde´, sowie ´Easy Rider´).

Wenn man es geschafft hatte, mehrere Wochen in Rundfunksendungen platziert zu sein, und das waren wir 15 Wochen auf Platz 1 vor PUHDYS, KARAT oder CITY, kam man auch mit eigenen Kompositionen bei den gleichen Fans an.

Ab 1987 durften wir als erste Band, endlich Englische Texte beanspruchen. Mit ´Metal For You´ waren wir 1989 beim 1199 Jugend Fernsehen zu Gast. Die Fans hatten ja auch dafür gesorgt, dass diese Hits auf den vorderen Plätzen landeten, und auch wir als Heavys mal ins DDR Fernsehen geladen wurden, etwa zu Stop Rock.

In Putzkau haben wir unter anderen mit ARGUS, später MOSHQUITO gespielt, die im übrigen auch wieder am Machen sind, und bei meinem METAL GODs Open Air 2019 in Berlin auftreten, was mich besonders freut, dass es doch noch alte Kollegen gibt, die, nach langen Jahren der Ruhe, wieder on Stage sind.

Mein Vater hat damals Bass gespielt in einer Tanzkapelle. Instrumente und Technik waren sozusagen nicht von hier. Was habt Ihr denn benutzt, Importe aus dem Westen oder Eigenbau?

Die Technik war ein Gräuel.

Wir mussten umgebaute 12,5/50 Watt Lautsprechern, die in Cottbus von Herrn Wünsche, dem Manager von PHARAO, für viel Geld auf 50 oder 100 Watt aufgebrutzelt wurden, nutzen.

Ende 1987 flogen langsam von den Bands, die im Westen auftreten durften, die ersten Selection EV 15 B Lautsprecher und weitere Instrumente ein. Der Kurs war zu der Zeit, glaube ich, 1:8. Tja, da haben sich einige Kollegen, finanziell mehr als gesund gestoßen. Ich selber habe noch meinen nagelneuen Trabant auf dem Schwarzmarkt verkloppt, um mir dann vier Lautsprecher leisten zu können.

Als Formel 1 ihre Ausreise in den Westen bestätigt bekommen hatten, habe ich auf Raten bis nach der Wende noch für die PA und den LKW bezahlt.

Der erste Besuch nach dem Mauerfall war in Berlin Sound und Drumland, und da war mir klar, wer uns alle mehr als mächtig über den Tisch gezogen hat. (Die genannten Namen lassen wir hier ungenannt. Anm. d. V.)

Ein EV 15 B kostete dort 299 DM, wir haben in der Regel 2.500-2.800 DDR Mark bezahlt.

Nach der Wende haben viele der DDR-Bands den Boden unter den Füßen verloren. Ist auch klar, wir wollten die Originale sehen. Bei mir war es Anfang 1990 RUNNING WILD in Osnabrück. Manche sind für immer im Nirvana entschwunden, einige sind jetzt, 30 Jahre später wieder da. Wie fühlten sich denn diese Zeiten an, kurz nach der Wende?

Die Zeiten nach der Wende waren für alle Musiker sehr hart. Sämtliche FDJ-Jugendclubs, HO und VEB Gaststätten wurden geschlossen, oder zurück an den jeweiligen Eigentümer übergeben.

Des Weiteren waren unsere Fans ausgehungert, und wollten jetzt die originalen Bands sehen, und der Rest der Veranstalter hatte auf Grund schlechter Besucherzahlen auch keinen Bock mehr. Auch wenn man noch ein paar Auftritte hatte, konnte man nicht mehr davon leben, gegenüber den DDR-Zeiten, wo man 12-20 mal im Monat unterwegs war.

Jeder musste zusehen, irgendwie Geld zu verdienen, und da fing das Chaos auch bei uns an. Auch das Pech, dass unsere Plattenfirma Label Z mit der Wende Pleite machte, hat uns mächtig runtergezogen. Denn wir dachten als eine der letzten DDR Bands, jetzt geht es los, nein, es sollte nicht sein.

5 Musiker im Proberaum mit Geldproblemen, 2 waren immer pünktlich, 2 kamen immer später, und einer musste immer früher gehen.

Ab dem Augenblick war dadurch auch keine Motivation mehr gegeben, denn wir vermissten unsere Fans, sowie die fast tägliche Bühne.

Gibt es noch Kontakte zu Kollegen wie BIEST oder HARDHOLZ?

Kontakt habe ich nur noch mit den ehemaligen Kollegen von FORMEL 1, wo sich leider aus Charakter und Altersgründen nichts mehr zusammen rühren wird.

Ab und zu trifft man einen Jacky (Reinhard Lehmann ehemals PHARAO/REGENBOGEN), jetzt als Soundmann seit mehreren Jahren für SAXON unterwegs, oder Gunter Brendel (ehemals DR. ROCK) auch als PA Vermieter unterwegs.

Den einzigen, richtigen privaten und musikalischen Kontakt habe ich immer noch zu meinem alten Sänger Tomas Post / Possi genannt. Er freut sich über jedes neue Album, und Gastauftritte bei unseren Release Shows.

Vor zwei Jahren haben wir mal mit HARDHOLZ in Thüringen zusammen gespielt, menschlich ist alles beim Alten, aber mit dem Altbackenen in ihrer Musik konnte ich nichts mehr anfangen, da haben wir uns auf alle Fälle weiter entwickelt.

Was war denn der Anlass, sich wieder musikalisch zu betätigen? Nostalgie oder Bock auf Rock?

Es macht wieder Spaß, mit jungen Musikern auf der Bühne zu stehen, neue Fans zu gewinnen, mit alten Fans sich über die DDR-Zeiten on Stage zu unterhalten, und vor allen Dingen wieder gefragt zu sein, bei den neuen Veranstaltern im Osten sowie im Westen.

Die letzte Frage dreht sich um die Halford Bar. Hast Du die aufgegeben, oder bist Du da immer noch anzutreffen?

Natürlich gibt es noch das Rockcafé HALFORD, wir feiern am 03.05.2019 unser 27 Jahre Jubiläum.

Wer dann also in Berlin ist, sollte sich dieses Jubiläum nicht entgehen lassen.

In der Hauptstadt im Blackland findet auch am 30. April die Release-Show zum aktuellen Album statt. Zudem organisiert Sven noch das „Metal Gods Festival“, das im August in Berlin statt findet. Wenn die Gelegenheit besteht, sucht das Gespräch, vielleicht kann man im direkten Kontakt mit Sven noch ein bißchen mehr über die Zeit in der DDR erfahren.

https://www.facebook.com/metallofficial

www.halford-berlin.de


Die Bilder stammen aus dem Archiv von Sven Rappoldt.