Redebedarf

METAL INQUISITOR

~ WELCH EIN LAND, WAS FÜR MÄNNER!!! ~

~ Interview mit „4/5tel“ der Band ~


Ach ja, die herrliche und idyllische Eifel. Ein noch unbeflecktes und ruhiges Stückchen Erde, mit vielen Sehenswürdigkeiten. Wie zum Beispiel dem schönen „Deutschen Eck“ zu Koblenz…

…und genau von hier aus startete einst eine Handvoll selbsternannter Inquisitoren ihren Kreuzzug auf die laute Metal-Welt. Und mit ‚Panopticon‘, ihrem aktuellen und mittlerweile fünften Album (siehe hier), ist jetzt endgültig Schluss mit lustig. Aus und vorbei, mit der behäbigen Ruhe in der Provinz…

„Ja, schon klar. Stahl wird eher im Ruhrpott gekocht, wobei da mittlerweile ja auch eher mehr stillgelegte, als aktive Hochöfen rumstehen. Bei uns hier, entlang des Koblenz-Neuwieder-Beckens, erstrecken sich bis in die Mittelgebirge natürlich vorkommende Metall-Erze, die sich in Knochen, Blut und Gehirn des Rheinländers anreichern, so dass es hier stets Metal gab und gibt – unbeeinflusst von irgendwelchen Umwelteinflüssen“, knallt mir Sänger El Rojo süffisant vor den Latz – dabei war ich doch nur um einen harmonischen Beginn bemüht, und wollte eigentlich auch auf etwas ganz Anderes hinaus. Und zwar auf die Beziehung von „ländlicher Provinz“ zum harten Metal. Aber ja, der Mann hat Eier, das gefällt mir, und so legt er gleich mit losgelöster Zunge nach. „Möglicherweise ist der Einwohner einer Metropole immer geneigt dazu, jenseits seiner persönlichen Lebenswelt gleich das Ende der Kulturlandschaft oder den Arsch der Welt zu vermuten. Natürlich ist Koblenz nicht Berlin. Aber ich behaupte einmal, dass der ‚Pro-Kopf-Kneipen-Metaller-Quotient‘ in unserer schönen Zweistrom-Stadt zehn Mal höher ist, als in der Hauptstadt. Wer schon einmal an der Spree war und einen Metal-Laden gesucht hat, der weiß wovon ich spreche.“

 

 

Jawohl, welch ein hervorragender Einstieg, doch weiter im Text: ‚Panopticon‘ klingt musikalisch, als auch soundtechnisch, wie ein Relikt aus 1980 oder 1981. Wie kommt’s? Schließlich dürften die einzelnen Mitglieder erst zu der Zeit in etwa zur Welt gekommen sein, wie ich anhand der Bandhistorie vermute. Und, wen wundert’s, wenn ich damit natürlich völlig falsch liege. „Du gehst von der Annahme aus, dass wir alle im Teenager-Alter die Band gegründet haben – dem ist aber nicht so“, widerspricht El Rojo, um gleich anschließend richtig zu stellen, „dass wir unterschiedliche Lebensläufe haben. Unsere Gitarristen Blumi und TP zum Beispiel, haben bereits schon zehn Jahre vor der Gründung von METAL INQUISITOR fleißig in der Szene musiziert. Das heißt, der Altersschnitt bei uns liegt deutlich höher, als Du vermutest und bei mir hast Du Dich sogar um zehn Jahre vertan – was ich aber als Kompliment sehe…“, puh, Glück gehabt! „Wir durften die goldenen Jahre des Heavy Metal also voll miterleben und sind daher nicht ‚retro‘, sondern eher ‚übrig‘.“

 

 

„Komplett falsch liegst Du allerdings auch nicht mit Deiner These“, bekräftigt mich Bassist Cliff, der fortan den Staffelstab übernimmt. „Als das mit Abstand jüngste Bandmitglied (33), habe ich die goldenen Jahre des Metal leider knapp verpasst, aber durch meinen Bruder zum Heavy Metal gefunden. Das hat alles mit Mixtapes angefangen, die er für mich zusammen stellen musste, nachdem ich bei unserer Mutter ständig rumgequängelt habe, dass ich auch so coole Musik will wie er. Die Anderen sind da aber voll durchmarschiert und haben die ein oder andere Story auf Lager, bei der man schon mal schmunzeln muss. Ich denke da an Elternteile, die Original-Shirts als Lumpen zum Öl-Wechsel am Auto nutzten.“ Oje, welch Frevel! Aber auch der Sound von ‚Panopticon‘ klingt eher „mittelalterlich“. Naja, vielleicht nicht ganz, aber immerhin wie zu glorreichen NWoBHM-Zeiten Anfang der Achtziger. Eine bewusste Entscheidung? „Ja, wir wollten keinen modernen Sound, weil der einfach auch nicht zu uns passen würde. Wir wollen authentisch klingen, und glatt poliert kommt da einfach nicht in Frage. So einfach ist das“, erläutert der Viersaiter und Gitarrist TP fügt an, „…dass der Sound auf ‚Ultima Ratio Regis‘ mehr ‚vintage‘ und auch richtig gut ist. ‚Panopticon‘ klingt da sogar schon eher zeitgemäß. Wir hatten diesmal ein anderes Studio, einen anderen Engineer und ein anderes Masteringstudio zur Verfügung. Wir beeinflussten den Sound bereits bei der Aufnahme, indem wir mit verschiedenen Amps, Mikros und Gitarren experimentierten. Was dann am Ende für ein Gesamtsound herauskommt ist trotzdem auch für uns nicht immer abzusehen. Er muss uns wirklich gefallen. Und bis dahin kann es mitunter beim Mix etwas länger dauern. Diesmal ging es sogar noch recht zügig…“ Sehr interessante und nicht unbedingt die übliche Herangehensweise.

 

 

Die goldene NWoBHM-Ära hat Euch also soundtechnisch wie auch musikalisch geprägt. Dann dürften auch die Bands dieser Zeit ein großer Einfluss von METAL INQUISITOR sein… „Also unsere Vorlieben sind noch um ein gutes Stück breiter, als man so grundsätzlich vermuten würde“, übernimmt Schlagzeuger Havoc ab jetzt die Stöcke. „Ich kann mich durchaus auch mit moderneren Sounds befassen, während es für andere in der Band ein rotes Tuch wäre. Trotzdem ist die Suche nach der Ursprünglichkeit, welche auch ein Gefühl sein kann, sehr wichtig für die Band. Da rutscht man durchaus auch mal in die Siebziger ab. Es ist nicht allein der Sound, der einen Song ‚alt‘ oder ‚ursprünglich‘ klingen lässt…“ und hier kommt wieder Axeman TP ins Spiel: „Mir persönlich geht es allein um schöne Musik. Und, wie Chris schon erwähnte, hören wir auch unterschiedliche Musik, mit großer Bandbreite. Da ist von altem bis neuem Underground, Thrash, über Black Metal, ja sogar bis jazzigen Klängen und zum Teil auch Crossover der Neunziger vieles mit dabei. Und selbst da habe ich sicher noch eine Sparte vergessen… Na ja Classic Rock und traditionellen Hardrock und Metal, habe ich mal als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt.“ Eh klar, und die US-Vertreter der harten Musik nicht zu vergessen. Ich meine aus Eurer Musik gar auch Anleihen zu Epic-Bands wie CIRITH UNGOL oder MANILLA ROAD herauszuhören. Cliff: „Definitiv! Alles mehr oder weniger Helden von uns. Ehrlich gesagt eine riesen Ehre, mit diesen Kalibern verglichen zu werden. Vielen Dank!“ Und Havoc fügt unmissverständlich an, „dass all diese Bands logischerweise zum Portfolio gehören. Da sind die Einflüsse doch automatisch vorprogrammiert, oder?“

 

 

Eben, und um es jetzt noch eine ganze Ecke komplizierter für Euch zu machen und ein letztes Mal beim Thema zu bleiben: Wo seht Ihr Euch musikalisch selbst am Ehesten? „Oje, schwierige Frage“, grübelt Cliff. „Ich glaube, da gibt es innerhalb der Band unterschiedliche Vorstellungen und Wünsche. Ich finde, was die Popularität angeht sind wir durchaus im Mittelfeld vertreten, wenn es um die deutschen Metal-Kaliber geht. Man hört zwar nicht so oft von uns, aber wenn, dann mit ’nem mächtigen Kabumm!“ Und Havoc zeigt sich sogar erstaunt. „Ich bin doch immer wieder überrascht, wie uns die Leute wahrnehmen. Es ist einfach krass, wenn die Fans die Songs live mitsingen. Ich persönlich kann METAL INQUISITOR nicht wirklich mit anderen Bands vergleichen. Somit kann ich persönlich nicht beurteilen, wo wir genau musikalisch einzuordnen sind. Ach doch, mir fällt’s gerade ein. Heavy Metal. Ja, wir spielen Heavy Metal, haha!“ Okay, Ihr Scherzkekse, dann geht’s jetzt mal so richtig ans Eingemachte. Der Gesang war meiner Ansicht nach zunächst ein Schwachpunkt, was vielerorts ebenfalls bemängelt wird. Doch, meiner bescheidenen Meinung nach, fügt er sich mit zunehmender Spielzeit mehr und mehr ins Gesamtbild ein, bleibt aber dennoch sehr, sehr gewöhnungsbedürftig, wie ich ja auch in meiner Rezension angemerkt habe. Ist er vielleicht sogar ein ureigenes Markenzeichen, das METAL INQUISITOR unvergleichlich und einzigartig macht? Wie ja auch bei den oben bereits erwähnten CIRITH UNGOL – nicht der beste Sänger, aber ein unverwechselbares Trademark ihrer Musik. Wie steht Ihr zu den Kritiken am Gesang, oder geht Euch das am Allerwertesten vorbei? „Es ist mir durchaus bewusst, dass nicht jedem gefällt wie ich singe“, holt der angesprochene El Rojo zu einem längeren Monolog aus. „Aber in der Musik ist es ja anders als zum Beispiel im Sport. Bei Wettkämpfen gehört der Zuspruch des Publikums den erfolgreichen Athleten, die sich als die Besten in ihrer Disziplin erweisen. Also diejenigen, die über den höchsten Kompetenzgrad verfügen (oder am cleversten tricksen…). In der Musik gilt: Entweder der Song oder die Musik gefällt dir, oder sie tut es nicht. Wären die qualitativen Fähigkeiten der Musiker das alleinige Kriterium, wären Improvisations-Free-Jazz-Musiker die mit Abstand beliebtesten der Welt. Ich mache das, was ich kann und was ich empfinde. Das heißt, ich versuche stets die Musik zu machen, die aus dem Bauch heraus kommt. Und ich muss es auch live einigermaßen hinbekommen – ohne Computer oder was-weiß-ich für einen Technik-Schiss. Wenn dabei etwas rüberkommt, das Menschen gefällt, das sie Freude dabei empfinden und ‚headbangen‘, dann fühle ich mich mit meiner Performance bestätigt. Glücklicherweise gibt es auch Menschen, die METAL INQUISITOR gerade wegen des Gesangs mögen, so dass ich mit Kritik gut leben kann.“ Hut ab, vor solch einer bodenständigen Einstellung und Gitarrist TP springt seinem Frontmann sogleich zur Seite. „Sicherlich ist der Gesang ein Markenzeichen einer Band, und so ist das wohl auch bei uns. Aber letztendlich ist das alles dennoch nur reine Geschmacksache. Wir finden die Vocals natürlich super und wir wollten es natürlich auch zu keiner Zeit anders haben. Wir haben die Band irgendwann begonnen, weil wir uns als Kumpels kannten und Bock auf eigene Musik hatten, daher haben wir damals kein wirkliches Casting gemacht.“

 

 

Textlich geht’s bei METAL INQUISITOR nicht etwa um düstere Kreuzzüge, wie man vermuten könnte, sondern um aktuelle Themen, politische Sachen und Ideen, die beim Autofahren entstehen… Wie bitte, was!?!?!?!? „Wenn Du auf ‚Burn Them All‘ von der ‚Ultima Ratio Regis‘-Platte anspielst, dann geht es genau darum, ja…“, amüsiert sich El Rojo. „Um Gefühle, die beim Autofahren entstehen können. Wie zum Beispiel im Berufsverkehr, oder im Stau, da bin ich eben ‚Auto-aggressiv‘, haha!“ Okay, dem möchte ich allerdings nicht unbedingt im Straßenverkehr begegnen – dann schon viel eher auf einem Festival oder einer Konzertbühne, wo METAL INQUISITOR, neben Ihren Klassikern, auch ‚Panopticon‘ zum Besten geben werden. Doch dies scheint ein eher etwas schwieriges Unterfangen, wie Bassist Cliff nachdenklich zu Protokoll gibt. „Touren ist bei uns sehr schwierig, da wir nur selten alle zur gleichen Zeit, viel Zeit haben –  komischer Satz, oder? Zum Beispiel kann einer von uns nur in den Ferien, der andere nur an geraden Wochenenden im Kalender, manchmal bekommt einer keinen Urlaub zum besagten Zeitpunkt und so weiter. Bock hätten wir schon auf eine Tour, es ist eben nur sehr schwierig gemeinsam Zeit zu finden. Aber ganz abschreiben würde ich den Gedanken nicht“, was wir doch auch schwer hoffen wollen! Ist heutzutage eben verdammt hart, bei den geplanten Kreuzzügen auch „Urlaub“ zu bekommen. Gibt es dann wenigstens irgendwelche besonderen Festivitäten, Auftritte oder gar besondere Veröffentlichungen, denn schließlich feiert Ihr mit ‚Panopticon‘ quasi auch Euer 20-jähriges Bandjubiläum? „Wir hatten tatsächlich einen Gig zum 20-jährigen in unserer Stammkneipe ‚Florinsmarkt‘ in Koblenz geplant, doch leider kamen uns ein paar private Dinge dazwischen und wir mussten das Ganze erst einmal auf Eis legen. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben, und wenn es noch etwas dauert, dann machen wir halt einfach ’ne 21er-Jahre Party daraus. Ich bin sicher, die wird auch ein Killer…“ beschließt Cliff mit einem echten Kalauer diesen heiteren und launigen Plausch!!!

 

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All Pics by Maily Fernandez