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MYSTO DYSTO – The Rules Have Been Disturbed / No AIDS In Hell

~ 1986/1987 – 2018 (The Crypt) – Stil: Heavy/Speed/Thrash ~


Bei dem nachfolgend besprochenen Re-Release handelt sich zwar nicht um die erste Wiederveröffentlichung dieser Scheibe, sehr wohl aber um die erste auf Vinyl, welche im Juli 2018 via ‚The Crypt‘ veröffentlicht worden ist. Wem also das Original von 1986 zu teuer ist (es liegt irgendwo zwischen 150 und 200 Euro), der hat nun die Gelegenheit, eine neu abgemischte und um deren 1987er Demo ‚No AIDS In Hell‘ ergänzte Version als Doppel-LP (die 4. Seite bleibt leer) zu erwerben. Aber man wird sich wohl beeilen müssen, denn wie bereits das Original, so ist auch die Neuauflage auf 500 Exemplare limitiert (davon 150 in Schwarz und je 175 in Blau und Rot).

Auf CD hatte es bereits zwei Neuauflagen gegeben. Als erstes erschien im Jahre 2006 im Rahmen der ‚Dutch Metal Cult Series‘ eine auf 1.000 Exemplare limitierte Ausgabe, auf welchem zwei der vier Stücke vom 87er Demo enthalten waren. Die letzte stammt von Anfang 2017 und wurde von Dark Symphony in einer Tausender Auflage vertrieben. Auch diese CD wurde neu abgemischt und enthält das komplette 87er Demo. Wer sich nun fragt, ob es sich beim Bandnamen MYSTO DYSTO um irgendeinen obskuren holländischen Slangausdruck handelt, der liegt vollkommen daneben.

Ein Mysto Dysto ist ein in den 70ern vom japanischen Hersteller Loco Box vertriebenes Verzerrerpedal für Gitarren. Auch wenn dieses Pedal heutzutage in einigen Kreisen Kultstatus genießt, so muss der Klang dem Vernehmen nach schrecklich sein. So verwundert es nicht, dass zeitgleich mit dem ersten Plattendeal 1987 eine Umbenennung in die heute sicherlich bekanntere Band MANDATOR erfolgte. Die Linernotes vom Gründungsmitglied Marcel Verdurmen auf der DoLP geben darüber Auskunft, dass alle Veröffentlichungen von MYSTO DYSTO unter Eigenregie erfolgten und das Geld hierfür nicht nur sprichwörtlich vom Munde abgespart wurde, sondern von einigen Bandmitgliedern wahre Opfer abverlangte, da sie hierfür Teile ihrer persönlichen Habe versilbern mussten. Saitenzupfer Marcel Verdurmen verkaufte beispielsweise seine Honda Goldwing!

Das Label, bei denen MYSTO DYSTO einen Vertrag über drei Alben unterschrieben, war übrigens die nicht mehr existente Musik Tonträger-Produktions- und Vertriebs-GmbH Disaster aus Baden-Würtemberg, welche mit ANGEL DUST und EXUMER bereits zwei Speed/Thrash-Bands unter Vertrag hatte…womit wir (endlich) bei der Musik von MYSTO DYSTO angekommen wären…

MYSTO DYSTO gründeten sich 1983 in Coevorden, im Norden Hollands, direkt an der deutschen Grenze und spielten (nach Aussage von Marcel) zunächst Blues Rock, was sich aber durch Marcels Zugang im gleichen Jahr (er spielte vorher bei den ebenfalls legendären VAULT) schlagartig änderte. Das Gründungsjahr weist bereits in die zukünftige musikalische Richtung der Band: Heavy/Speedmetal mit Thrasheinflüssen. Musik, die eindeutig von Bands wie METALLICA, SLAYER, aber auch ANTHRAX und ganz sicher auch von der bereits im Gründungsjahr moribunden NWoBHM beinflusst wurde.

Nach dem ersten Hören der DoLP ist man geneigt, die Musik von MYSTO DYSTO unter „gewöhlicher Heavy/Speedmetal aus der Zeit“ abzulegen. Lässt man den Platten aber ein paar Durchläufe länger Zeit, so beginnen sie an Eigenständigkeit und Vielfalt zu gewinnen – und das nicht nur aus einem aus heutiger Sicht nostalgischen und zeitlich verklärten Blickwinkel, der die damaligen Veröffentlichungen zuweilen voreilig als Kult deklariert.

Die Bezeichnung Heavy/Speed/Thrash beschreibt für mich nämlich nicht einfach nur den Musikstil, der sich in jedem Stück wiederfindet, sondern die Bandbreite der Stile, in denen sich die Musik von MYSTO DYSTO bewegt. In ‚Aids‘ steht der Thrash im Vordergrund, in ‚Full Speed To Hell‘ spricht der Titel Bände und schließlich dominieren in ‚One Night Stand‘ harmonische Melodien des klassischen Heavy Metal. Also griffige Riffs, schöne Melodien und großartige, in die Stücke integrierte Gitarrensoli – was will man mehr. Auch der Gesang von Peter Meijering ist sehr speziell und bewegt sich variabel zwischen hoher Kopfstimme und tiefem, aggressivem Gesang (für die damalige Zeit schon fast Growls) hin und her. Man höre sich nur mal ‚Evil Dead‘ an.

Kult hin oder her, ich persönlich höre mir Wiederveröffentlichungen wie die von MYSTO DYSTO lieber an, als 90 Prozent (95 Prozent?) der Neuveröffentlichungen.

(8,5 Punkte)


(VÖ: 6.07.18 / Re-Release auf Vinyl – 150 in Schwarz und je 175 in Blau und Rot)