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THE NEAL MORSE BAND – The Great Adventure

~ 2019 (Radiant Records / Metal Blade Worldwide) – Stil: Progressive Rock ~


Sehr löblich, sehr mildtätig und mit Nächstenliebe gesegnet. Die NEAL MORSE BAND fügt zusammen, was zusammen gehört werden muss. Auf das Doppel-Album ´The Similitude Of A Dream´ folgt ein weiteres doppeltes Lottchen: ´The Great Adventure´. Denn die Geschichte ´The Pilgrim’s Progress From This World To That Which Is To Come´ des englischen Baptistenpredigers und Schriftstellers aus dem 17. Jahrhundert John Bunyan ist längst nicht zu Ende gedacht. Demzufolge ist die NEAL MORSE BAND in sich gegangen, Neal Morse (Gesang, Gitarre, Keyboards), Eric Gillette (Gitarre, Gesang), Randy George (Bass), Bill Hubauer (Keyboards, Gesang) und Mike Portnoy (Schlagzeug, Gesang), um die Geschichte des suchenden Pilgers aus der Sicht des Sohnes zu schildern.

Vom nach Gott suchenden Pilgervater zurückgelassen, ist die Geschichte des zornigen Sohnes weitaus aggressiver erzählt. Das Quintett bricht öfters aus den gewohnten, musikalischen Figuren aus, hält sich gleichwohl hinsichtlich der dramaturgischen Aufeinanderfolge an die Blaupause des Vorgängers. Das Ende von ´The Similitude Of A Dream´ ist der Anfang von ´The Great Adventure´. Der Vater wird zum vollendeten Menschen, voller Liebe und Verständnis. Die einleitende ´Overture´ des ersten Aktes greift diesen Schluss des Vorgängers auf, um sogleich mit vollem Bandeinsatz die Wucht des Werkes bereits hier durch die tristen Wolken der Erzählung brechen zu lassen. Das erste der fünf Kapitel enthält zur Einführung einen gewohnt melancholischen Neal Morse-Song (´The Dream Isn’t Over´), der auch die Prog-Tage von GENESIS verarbeitet, sowie Klavier-betonte Songs mit KANSAS-Gesangspartien (´A Momentary Change´). Die Antwort rockt hart im unverkennbaren QUEEN-Universum (´Welcome To The World´).

Kraftvoller als zuvor sticht einiges an Songmaterial heraus (´Dark Melody´), ehe im weiteren Verlauf der Sohn endgültig, nicht nur vor dem Leben davonrennt (´I Got To Run´). Das dritte Kapitel lässt das Abenteuer endgültig beginnen und den Titelsong erklingen, mit Handklatschen, Gitarre und Keyboards zum Jubilieren – dabei stehen YES gar nicht auf der Gästeliste. Unheimlich düster und heavy erweist sich die Reise des Pilgersohns (´Venture In Black´), desgleichen später, wenn er von Gott verlassen ist (´Fighting With Destiny´). Gewandt werden immer wieder kleine Zeilen oder längere Abschnitte (´Welcome To The World´) in späteren Kompositionen wiederkehrend eingearbeitet. Demgegenüber offenbaren sich Songs völlig tiefenentspannt (´Hey Ho Let’s Go´) und voller Lebensbejahung (´Beyond The Borders´). Der zweite Akt ist mit den Kapiteln vier und fünf nicht minder lang in seiner Geschichtsfortschreibung bestückt, besinnt sich der Liebe – indem er das Finale vorwegnimmt (´A Love That Never Dies´) und eine Brücke zum Anfang baut (´The Dream Continues´) – und den Freuden des Lebens (´Vanity Fair´). Doch die Realität wird kälter (´Fighting With Destiny´) und bringt unerschrockene Heavy-Gitarren ins Spiel (´Welcome To The World 2´). Die Dunkelheit der Melodie (´Freedom Calling´) steht vereint neben den mächtigen Werks-Kompositionen (´Child Of Wonder´, ´The Great Despair´). Die Reinigung der Sünder und die wiedergefundene Liebe von Vater und Sohn durchdringen den Schlussakt und gehen in ihm auf.

Auch ohne Liebe und Glauben dürfen sich Menschen, besonders aus dem Sündenpfuhl, der NEAL MORSE BAND zuwenden. Das dritte Album in derselben Besetzung – die NEAL MORSE BAND hat dem Morse´schen Sound den nötigen Feinschliff verpasst. Der Pilgersohn ´The Great Adventure´ übertrifft seinen Ziehvater ´The Similitude Of A Dream´ bei weitem. Welch ein Abenteuer.

(8,5 Punkte)

http://www.nealmorseband.com


(VÖ: 25.1.2019)