Livehaftig

BUTCHER BABIES, KOBRA AND THE LOTUS, SKARLETT RIOT, IGNEA, MARTYRIUM

~ 14.10.2018, Mannheim, MS Connexion Complex ~


Wieder einmal: fünf Bands auf einer Tour sind einfach zwei zu viel. Punkt. Auch wenn man an einem Sonntag deutlich früher wie 20 Uhr beginnen kann, sind fünf Bands einfach überdosiert. Der Sonntag steht ganz unter dem Motto „Ladies Night“. Bei allen fünf Bands stehen Frontfrauen im Mittelpunkt des Geschehens. So ist der Tourslogan mit „Female Metal Voices Tour 2018“ zutreffend.

Beim Einlaufen am Ort des Geschehens verlassen MARTYRIUM aus Malta gerade die Bühne. Shit happens. Mit einer ordentlichen Portion Black Metal haben sie den Abend begonnen. Die rothaarige Frontdame der Malteser läuft nach ihrem Auftritt in ihrem gewagten Kostüm, das die weiblichen Akzente sehr deutlich in den Vordergrund schiebt (im wahrsten Sinne des Wortes), durchs Publikum – Selfies mit ihr sind daraufhin keine Seltenheit.

Derweil entern IGNEA aus der Ukraine die Bühne. Auch deren Frontdame hat sich die Haare rot gefärbt und dazu passend einen lächerlich aussehenden Bade-/Morgenmantel an, der dem Ganzen wohl einen mystischen Touch verleihen soll. Die Mucke kann man gerne dem symphonischen Black Metal zuordnen, ist recht simpel gehalten, wird von einem Kinder-Keyboard und strunz-einfältigen Sequenzen dieses Plastikteils unterstützt. Sängerin Helle Bogdanova ist sehr wohl in der Lage, klare sowie extreme Gesangseinlagen zu liefern. Musikalisch wird 08/15-Kost geboten. Die Band müht sich, die Reaktionen halten sich in Grenzen.

SKARLETT RIOT aus England sind da von einem ganz anderen Kaliber. Kürzlich haben sie über Despotz Records ihr Debüt `Regenerate` veröffentlicht, das äußerst gefällig aus den Boxen wirbelt. Die Band um die zierliche Sängerin Skarlett klingt live markant thrashiger, roher und weniger melodisch als auf dem Debüt.

Das steht der Band gut. Gefühlt kann man gerne von einem erfrischenden Mix aus Thrash- sowie Power Metal-Versatzstücken sprechen, der durch die melodischen Vox einen nicht unerheblich modernen Touch bekommt. Diese Livepower muss definitiv auf dem nächsten Album zu hören sein. Gitarrist Danny liefert präzise, knallharte Riffs. Trotz nur einer Gitarre, drückt der Sound gewaltig.

Headbangen ist bei den schnellen Stücken angesagt. Die thrashigen, schnellen Stücke hauen gepflegt rein. Ein guter Kontrast zu den erwähnten, eher melodischen Gesangseinlagen. Das Ganze wirkt sehr professionell, rund und im Vergleich zu der Vorgängerband drei Klassen besser. SKARLETT RIOT ist eine Band, die man auf dem Radar haben sollte.

Die kanadischen KOBRA AND THE LOTUS sind in unseren Breitengraden nicht sonderlich oft zu sehen – und für viele der heimliche Headliner. Auch wenn die Band um Frontdame Kobra Paige nicht mit hunderttausenden von CD-Verkäufen punkten kann, live ist die Band eine Bombe.

Besagte Dame hat am heutigen Tag Geburtstag, was für ein spontanes Ständchen der Fans sorgt. Madame wirkt beglückt und bedankt sich herzzerreißend. Die Kanadier wirken auf der Bühne supertight. Die Axtfraktion post und bewegt sich selbstbewusst. Geile Mucker, keine Frage.

Das Gitarrendoppel Kulakowski/Gutierrez ist beeindruckend. Aber Blickfang ist eben Madame Kobra, die vor Selbstbewusstsein geradezu strotzt. Auffällig ist jedoch, dass ihre Stimme technisch gesehen perfekt ist, emotional aber sehr gleichförmig klingt. Keinerlei emotionalen Höhen und Tiefen sind auszumachen. Frau Paige singt wie aus einem Lehrbuch für technisch perfektes Sing-Coaching. Darüber kann man streiten, aber es fällt eben auf. Mit `Losing My Humanity` vom aktuellen `Prevail II` Album beginnen sie den Gig. Selbstverständlich liefern sie mit `My Immortal` und `Let Me Love You` zwei der aussagekräftigsten Songs der Band.

Interessanterweise wird kein Stück vom gleichnamigen Album gespielt! Hervorragender Auftritt einer erstklassigen Band, die man definitiv nicht nur auf Sängerin Kobra Paige reduzieren sollte. Und cool ist sie außerdem. Bringt sie doch während des BUTCHER BABIES-Auftritts ihren Geburtstagskuchen an den Merch-Stand und teilt diesen Kuchen mit ihren Fans! Frustriert ist man allerdings über den Preis des ersten KOBRA AND THE LOTUS-Albums `Out Of The Pit` am besagten Merch-Stand. Dafür ruft man satte 25 Euro auf.

Nicht zu übersehen sind die Publikumsabgänge zu Beginn des BUTCHER BABIES-Auftritts. Es scheint wirklich so, dass nicht wenige nur wegen der Kanadier KOBRA AND THE LOTUS da waren. Das interessiert die Amis aber nicht und sie brechen wie ein Tornado über einen rein. Die beiden Hüpfdohlen Heidi Shepherd und Carla Harvey sind Dreh-und Angelpunkt der BUTCHER BABIES.

Das Blond/Schwarze Bombshell-Duo kokettiert ganz ungeniert mit seinen unübersehbaren Oberweiten, für das sie vor Jahren eher standen, als für modernen Heavy Metal. Ein Umdenken hat zum Teil stattgefunden und die Damen ackern hart für ihr Geld. Das wirkt fast schon wie ein Fitnessprogramm, was da auf der Bühne geliefert wird. Verblüffend ist das brutale Gebrülle bei den derben Parts schon. Hörenswert dagegen die Klargesang-Passagen, die zeigen, die Damen können eigentlich singen.

Die Backing Band, allen voran Gitarrist Henry Flury, produziert einen gewaltigen Grundsound, auf dem sich die Ladies austoben. Heidi ist klar die dominantere der beiden. Dagegen lässt Carla wie eine Irre ihre Mähne kreisen. Eigentlich ist es egal, welche Songs sie spielen, der Hüpfeffekt ist konstant vorhanden. `Deadman Walking`, `Headspin`, The Butcher`, `Look What We`ve Done`, die Songs peitschen brachial aus den Speakern.

Musikalisch ist das nichts wirklich besonderes, aber die Performance der beiden Ladies nimmt einen mit und man kann einfach nicht ruhig stehen.  Dennoch, die BUTCHER BABIES sind eher ein amerikanisches Thema, wo der Stellenwert der Band den hiesigen weit überragt. Keine Ahnung warum da so ist, ein Rätsel bleibt es. Dennoch ein schweißtreibender Auftritt, der den Verbliebenen die Ohren durchgeblasen hat.

Keine zehn Minuten nach dem Auftritt standen die Damen am Merch-Stand und machten gute Miene zum bösen Spiel der vielen Selfie-Junkies. Aber hey, es gibt schlimmere Jobs.


Fotos: Jürgen Tschamler