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MYRMIDION CREED – Nothing But My Face (EP)

~ 2018 (Independent) – Stil: Rock/Metal ~


Wenn es in den Neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts einen kleinen Heiligen Gral aus deutschen Landen gab, als derweil unsinnigerweise vielen Metallern weisgemacht werden sollte, dass der Metal tot sei, und gleichzeitig aber unzählige Gruppen erstklassige Stilistiken ausprobierten, dann war es das einzige Album von MYRMIDION CREED aus 1994: ´Through Painful Eyes´. Es war eines der wenigen Werke, das sich in hiesigen Breiten eigenständig in der Schneise bewegte, die zuvor QUEENSRYCHE und FATES WARNING geschlagen hatten.

Ungefähr seit 2010 sind MYRMIDION CREED – unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit – wieder aktiv, fanden aber erst jetzt – fast in Original-Besetzung – die Muße, neue Lieder einzuspielen. Mit Gitarrist Jan Toporski, Bassist Walter Schlay sowie Sänger Volker Riedel haben die wichtigsten Eckpfeiler des Bandsounds wieder zusammen gefunden. Besonders Volker Riedel war und ist mit seinem eindrucksvollen Stimmumfang das Aushängeschild. Auch auf dieser Comeback-EP kann er erneut glänzen, sogar stimmlich – entsprechend der Songs – breiter aufgestellt.

Der Sprung von 1994 zu 2018 ist letztlich auch eher ein kleiner Schritt, selbst wenn er 24 Jahre benötigte und Alt-Anhänger erst einmal erschrecken dürfte. Die Zeit ist zwar nicht ganz stehen geblieben, denn MYRMIDION CREED tönen nicht wie im Jahre 1994, aber auch nicht wie 2018. Sie munden jedoch weiterhin wie erstklassige Bands der 1990er geklungen haben und selbst heutzutage noch klingen können. MYRMIDION CREED haben den Schritt in Richtung Rock gewagt und klingen mehr nach 1995 als je zuvor. Die tiefergelegte Instrumentierung in ´Would You´ klingt nämlich schwer nach Grunge und könnte in seiner Ausführung auf jedem ALICE IN CHAINS-Album seinen Platz finden. Ohne böswillige Vergleiche anzustellen, könnten nun viele Bands Erwähnung finden, die in den 90s ihren Sound dem Zeitgeist angepasst hatten, selbst QUEENSRYCHE spätestens 1997 mit ´Hear In The New Frontier´. Dagegen ist der Song ´Ocean Of Dreams´ mit einer brillanten Gitarrenarbeit gesegnet, die ihn in Richtung Classic Rock der Kategorie THE TEA PARTY navigiert, um im Refrain völlig aufzublühen – in dieser Ausarbeitung natürlich ebenfalls für den Alternative Metal von Belang. Eine Mischung aus beiden Welten ist ´Deep Roar´, mit einem eindringlichen Songaufbau, der das Etikett progressiv von seiner Wortbedeutung her bekräftigt. Am ehesten singt Volker Riedel im Titelsong wie in seinen und unseren alten Tagen, obwohl die „doo-doo“-Rufe gerade im Höhepunkt für eine weitere Überraschung sorgen.

Offene Ohren, und von denen gab es viele in den Neunzigern, die nicht gleich ihre Kopfsocke oder Wollmütze über die Ohren bis zum Holzfällerhemd hinunterziehen, dürften auch mit den „neuen“ MYRMIDION CREED glücklich werden. Vielleicht bescheren sie uns ja in nicht allzu ferner Zukunft nochmals eine Sternstunde.

(8 Punkte)

http://www.myrmidion-creed.de/