PlattenkritikenPressfrisch

KHEMMIS – Desolation

2018 (Nuclear Blast Records) – Stil: Doom


Willkommen im Olymp! KHEMMIS kämpfen nun mit den ganz großen Kriegern auf den Schlachtfedern des Schwermetalls für Ruhm und Ehre. ´Desolation´ hat die auf beiden Vorgängern schon mitreißend zelebrierten Ausflüge ins Heavy- und Doom-Terrain der 1980er nochmals verfeinert – hier ist kein Gramm Fett mehr dran, kein Saitenanschlag zu viel. So eindeutig ins Schwarze getroffen haben unter den jüngst in den USA so zahlreich wie immer selbstbewusster auftretenden CANDLEMASS-Epigonen höchstens noch SPIRIT ADRIFT. Den sich hier eigentlich aufdrängenden PALLBEARER-Vergleich schenke ich mir bewusst. Bei aller Qualität und Klasse auch ihrer Alben – sie können insbesondere spielerisch hier nicht mithalten. Kein Bashing, es soll einfach nur aufzeigen, wie überragend KHEMMIS aktuell sind.

Kostproben? Der Opener ´Bloodletting´ übersetzt die Klaviatur des stilvoll-hymnischen Metals von IRON MAIDEN zu nie wieder erreichten ´Powerslave´-Zeiten in die so einfachen wie ergreifenden Stahlgewitter von PARADISE LOST – Beginn bis Mitte der 1990er. Oder ´Flesh To Nothing´: Erinnert mit seinem geschmackvoll schmatzenden Chugga-Chugga-Riffing angenehm an METALLICA in ihrer kreativen Abendsonne zu ´Black Album´-Zeiten. Dann die Coda: ´From Ruin´. Verhaltener Beginn, klassischer Übergang zu epischem Doom – und dann in der Mitte des Songs ein wagemutiges Solo- und Schlagwerk-Inferno, das in seiner Güte und Versiertheit an die Kunstgriffe der beiden Gitarristen Andy LaRocque und Michael Denner von KING DIAMOND zur seligen ´Abigail´ erinnert.

Unterm Strich ist es die Gitarrenarbeit, die vollends überzeugt: Man glaubt aufgrund der erstklassigen Zwillings-Läufe und ihrem cleveren Übergang zu Power-Chords, dass hier Gregor Mackintosh (PARADISE LOST) und – ernsthaft! – der ehemalige MEGADETH-Hexer Marty Friedman das Songwriting veredeln durften. Ach, und wen mit Blick auf sensiblen Stimmungsaufbau und progressive Ideen die jüngste MOURNFUL CONGREGATION ins Verzücken versetzte: Hier kommt auch für eure verwöhnten Ohren Nachschub. Echte Gefühle, 42 Minuten lang!

(9 Punkte)

Johannes Zenner

 

 

Epische Schwingungen durchschneiden alles, zischen wie ein jungfräuliches Artus-Schwert durch die Gedärme, lassen Glanz und Glorie im grellen Sonnenlicht erstrahlen. Epische Schwingungen betören die menschliche Gemütslage, jederzeit und überall. KHEMMIS aus Denver, Colorado, steigen mit ´Desolation´ zur Band der Stunde auf. Epische Schwingungen in ihrer vollen Pracht. Der glasklare Epic Doom, in Komposition und Produktion, hat auf ihrem dritten Werk den Großteil des modrigen Sludge-Einflusses hinter sich gelassen. Das Quartett entrinnt im Wettlauf um die Vormachtstellung PALLBEARER und CRYPT SERMON, der Tristesse von YOB hat es schon zuvor entsagt.

Kraftvolle Schlagzeugschläge von Zach Coleman peitschen hymnische Riffs voran (´Bloodletting´), nicht weit von SORCERER und GRAND MAGUS aufgestellt. Wäre er noch nicht erschaffen, würden KHEMMIS zeitweilig den Power Doom erfinden. Ein später Geschwindigkeitsrausch holt dennoch beizeiten die grimmigen Laute des Gesangs hervor, doch Sänger/Gitarrist Phil Pendergast singt ansonsten engelsgleicher als zuvor, sofern er nicht mit einem Klops im Hals wie Peter Steele (´Flesh To Nothing´) oder knietiefer wie Nick Holmes agiert. Allein in einer Komposition (´Maw Of Time´) zeigt sich vorherrschend der harsche Gesang, jubiliert aber zum Höhepunkt im Wechsel mit seinem strahlenden, imaginären Gegenpart.

So reitet klassischer Heavy Metal in der Tradition der NWoBHM auch einmal mit THIN LIZZY-Gitarren durch das Bergland und ergießt sich in seiner Vorbestimmung, im epischen Doom (´Isolation´). Da winden sich die Melodien instrumental ebenso in eine andere Richtung, so dass heroisch gesungen werden darf. Die Welt von CANDLEMASS ist in diesen Sphären verschollen, Schlachtrufe von ATLANTEAN KODEX längst präsenter, sogar dem US Metal von VISIGOTH näher. Im langen Schlussakt (´From Ruin´) zapfen KHEMMIS selbstverständlich nicht ganz die heroische Ader von frühen MANOWAR an, sind aber in zementierten Akustik-Besinnungsabschnitten nicht allzu sehr davon entfernt. Schwing – KHEMMIS setzen den finalen Schuss. Eine Quadratur konzipierter Schwingungen, die nie langweilig werden. Abseits der wenigen garstigen Schreie ist allein die vollbusige Königin auf dem Cover-Artwork, die mit dem langbärtigen Zauberer böse Blicke wechselt, angsteinflößend. Ihre hochhackigen Stahlstiefel drücken bereits den abgeschlagenen Kopf eines Kriegers auf die Stufen zu ihrem Thron. Und einer der zähnefletschenden Wolfshunde kann die abgerissene Hand nicht loslassen. Trostlosigkeit zum Festbeißen.

(8,5 Punkte)

Michael Haifl