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LORD VIGO – Six Must Die (again)

2018 (No Remorse Records) – Stil: Epischer KinoMetal


Natürlich gab es zum Review von LORD VIGOs neuestem Streich keine weiteren Fragen. Nichts, nur der Mund blieb offen:

LORD VIGO – Six Must Die

Gleichwohl darf sich hier und heute eine weitere Meinung zeigen:

Der WARLORD nimmt während eines BLUE ÖYSTER CULTes den MANOWAR von hinten. Ja, ich bin wieder einmal entzückt und weise Vorwürfe von Lokalpatriotismus entschieden zurück. Auf ihrem dritten Kreuzzug gegen alle Regeln der metallischen Vernunft gehen LORD VIGO dermaßen zitatfreudig-episch und doch so innovativ zu Werke, daß mir glatt das Blech wegfliegt, um es entspannt-spliffig auszudrücken.

Weniger Doom, mehr US Epik und das gewisse Etwas, das nur aus den deutschen Karpaten kommen kann. Cineastische Stimmung ohne jegliches Symphonikgeschwurbel, das Sperrige der Vorgängeralben in pures Heavy-Ear Candy umgewandelt und mit fein abgeschmeckten Classic Rock Zutaten gewürzt – gelingt LORD VIGO der Sprung vom kauzigen Undergrounder zum angehenden Klassiker? Über allem thront natürlich das leidende Organ von Vinz, welches LORD VIGO eben ausmacht.

Sogleich die Einfahrt des Intro-Schiffes ‚Elizabeth Dane‘ ist trotz der gequälten Seelen an Bord ganz einfach nur atemberaubend schön, das undoomig-flotte, beschwörende ‚Doom Shall Rise‘ zeigt auf, wie eine kauzige Live-Zeremonie aussieht und überrascht mit filigranem Solo, das sich episch entwickelt. ‚I Am The Prophecy‘ beweist, dass Classic Rock sich nicht mit rumpelndem Metal beißt und mit der gehörigen Portion Drama zum echten Highlight wächst. Gegen Ende leitet der Bass einen weiteren unvorhersehbaren Kurswechsel ein und wird vom Stampfer ‚Thul-Tar‘ inklusive Twin-Gitarrensolo gefolgt.

Bevor das Album in das lang erwartete, namensgebende Kulthorrorfilmfinale [aktuelles Interview siehe hier] mündet, geht bereits der cineastische Vorhang für das monumental-schleppende ‚Thal Mun-Rar‘ auf, welches zugaloppiert auf den reinsten Heldenmetal des ‚Evil In Disguise‘ – wiederum aufgelockert durch herrlichste musikalische Ideen und Wendungen der Axemänner Volguus und Tony.

Nach Nebelintro startet mit der kurzen Verbeugung vor urgewaltigen Lederbarbaren, die heutzutage keiner mehr kennen will, einer der ergreifendsten Longtracks der Geschichte des Epischen Metal mit Niederknierefrain und allen Tricks und Kniffen, die großes Kino so ausmachen. Ohne Worte. Wer dem unbändigen Zwang widerstehen kann, dem digitalen Medium den Befehl zu erteilen, das eben ungläubig Gehörte sofort nochmal abzuspielen, wird entsprechend dem Intro mit einem wunderschönen Outro zum Luftschnappen belohnt. Der Vinylist wartet sowieso und dreht alsbald erneut um auf die A-Seite…sofern er noch bewegungs-oder denkfähig ist.

Nach zwei Alben, die mich zum bedingungslosen Obeyer gebracht haben, ist diese Steigerung auch für mich unfassbar und kann – komme, was unter dem Banner in den nächsten Jahren wolle – nur bedeuten, dass ich jegliche Zweifel ablege und demonstrativ gegen vorsichtige Punktevergabe die Höchstnote zücke. Geld oder Ruhm bekomme ich eh nicht, dafür aber ein Epos, das bleibt.

Zehn Punkte für ein Happy End, welches sechs Opfer verlangt hat