Livehaftig

A CHANCE FOR METAL FESTIVAL 2018

4. + 5. Mai, JUZ, Andernach


DER Geheimtipp für Metalinteressierte, die sich nicht nur von den großen Namen der Szene locken lassen, geht in die zwölfte Runde. Wohlklingende Namen, die zu Recht kaum jemand auf der Agenda hat? Keineswegs, denn was das Organisationsteam um Jan Müller dieses Jahr wieder als echtes Undergroundfestival oder vielmehr als demokratischen (Fans geben ihr Votum zur Bandfindung ab) Eurovision-Band-Contest des weiteren Umlandes Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen zusammengetrommelt hat, braucht sich vor nichts und niemandem zu verstecken. Junge Idealisten und alte Veteranen spielen weit weg von verbittert dem geneigten Fan die Nackenmuskeln weich. „Let us be together, we won’t live forever“ – also am Besten gleich in die Vollen:

 

TAG 1

MESSERSCHMITT aus Remscheid eröffnen mehr als würdig mit ihrem abwechslungsreichen Oldschool Speedmetal von ihrem ersten Longplayer, der zu keiner Zeit angestaubt wirkt – eine wahre Pracht. Beim Stageacting gibt’s absolut nix zu meckern, besonders ihr hyperaktiver Bassist Florian verweist so manchen Profi in die zweite Liga. Mit wallender rot-blonder Mähne bringt dich Sänger und Gitarrist Maik zum Grübeln, wie Dave Mustaine wohl früher aussah. Der Schädelpilot vom Ed Repka-mässigen Cover sollte bei dieser Leistung eine gute Überlebenschance als Bandmaskottchen haben.

 

Ob die Leber noch funktioniert, kann ich nicht sagen, dafür aber der schnörkellose Heavy Metal der Buben von LIVERLESS aus Düsseldorf. Beim genaueren Betrachten der Feixtänze von Sänger Jarl frage ich mich, ob in seiner Flasche wirklich Wasser war, oder doch ein paar Prozente? Ich bin jedenfalls freudig erregt und bekomme auf der Stelle Durst.

 

Was reißen meine Koblenzer Lieblingsnachwuchsposer von FINAL FORTUNE heute? Einen heimspielartigen Gig mit unglaublichem Stagediving ab Lied Nummer drei, während sich im gleichen Moment ein kleiner Slamdance hinter mir entwickelt. Eingängige Hits, saubere Darbietung, über die Jungs lass ich nix kommen und hoffe, dass sie irgendwann mal auf einem Festival wie zum Beispiel dem H.E.A.T. gegen internationale Glamrocker antreten dürfen.

 

Nun zu einem weiteren Heimspiel im wahrsten Sinne des Wortes. Beinhartes aus dem Ort füllt die Halle. Beim Deubel, was liefern INCERTAIN für ein Brett. Was Liane und ihre Männer hier zelebrieren, muss keine globalen Vergleiche scheuen. Intelligent arrangierter Death-Thrash, der oft saumäßig groovt und bei dem auch clean gesungene Parts auf voller Linie überzeugen. Verständlicherweise wird diese Darbietung mit lauten Zugabeforderungen der gut gefüllten Halle belohnt. Spontan küre ich diese Band als Tagessieger und daran sollte sich trotz den zwei nachfolgenden Highlights nichts ändern.

 

Die von vielen heiß erwarteten Viking-Power-Black-Deather SPECTRAL, die mit sechs Alben im Hemdsärmel natürlich den meisten Fans bekannt sein dürften, überzeugen mit hymnischen Elementen und haben nun zwar unverdienterweise einen schweren Stand, ziehen jedoch alle Register. SPECTRAL reißen mit durchweg starkem Songmaterial mit, besonders die stimmungsvolle BATHORY-Dedikation ‚To The Gates Of Valhalla‘ kann bei den Nordmenschen im Publikum richtig punkten. Erhaben.

 

Erbarme, die Hesse komme – keine Angst, hier kommt der Chef Jan selbst mit seinen DRAGONSFIRE, die sich mit Neuzugängen am Mikro und Bass für den leider viel zu früh verstorbenen Torsten wie Phoenix aus der Asche erheben. Mit erbarmungsloser Spielfreude ballert diese Mannschaft uns großartigen melodischen Powermetal um die Ohren. Mit dem stimmlich überragenden Dennis hat man ein unbeschriebenes Blatt entdeckt, das die Perlen der Vergangenheit, die stark von Torstens markantem Organ geprägt waren, in neuem Glanze erstrahlen lässt. Das Firmenmotto ‚Pommesgabeling‘ wird dekorationstechnisch ebenfalls brillant umgesetzt. Mit der aktuellen Besetzung sollte die Prägung dieser Liveenergie auf ein neues Album knallen wie Sau und keinen alten Fan enttäuschen.

 

Und urplötzlich: Now to something completely different. Die Band verlässt die Bühne und überlässt das verdutzte Publikum den Labelkollegen SECUTOR , die die Menge mit Powerthrash und Bier weiter anheizen. Nach abermaligem Headlinerzwischenspiel entern STEELPREACHER die Stage und metaln dich weg. Koblenzer Metalpower im Doppelpack! Und wem’s nicht reicht, der kriegt an der Front auch noch Äppler (remember Heinz Schenk) aus dem Tonkrug. Fußballer würden singen: “So was hat man lange nicht erlebt – so schön, so schön.“ Schnallt euch an, wenn dieses Dreierpackage im Dezember eine Live DVD aufnimmt. Geile Party.

 

INTERLUDIUM:

An dieser Stelle muss ich direkt mal erwähnen, wie professionell das Ganze von A-Z hier aufgezogen ist. Der Sound im JUZ ist vorwiegend gut, die Location alleine ist dank Campen und Zelten neben oder im Fahrzeug auf der großen Rasenfläche direkt neben der Halle natürlich eine Bank, dass jedoch der Chef die Müllbeutel selbst verteilt und somit auch hier den Kontakt zum Publikum sucht, ist absoluter Underground. Das gesamte Team macht jedes Jahr eine saubere Arbeit, die Security ist stets freundlich und die Fressbude ist mittlerweile Kult mit Nierengulasch und Eifeler Spießbraten zur üblichen Auswahl. Und wer’s doch mal extra-schlotzig mag, kriegt auf die sonst so langweiligen Pommes zusätzlich gebratene Zwiebeln mit Soße. Extrem Pommesgabeling auch hier also.

 

TAG 2:

Back to business trotz nächtlichen alkoholunterstützten Fachgesprächen bis fünf Uhr morgens. Der Startschuss fällt angenehmerweise erst um 15:00 Uhr. Es lohnt immer, sich seinen Ängsten zu stellen. Ausgangsposition: Keine Erwartung, aber Bock auf Ohrenföhnung, damit bist du bei NO EXCESS genau richtig. Keine Mucke für Raketenwissenschaftler, aber ihr ‚WestWoodThrash‘ gibt den anwesenden Frühbiertrinkern genau das, was er verspricht. Sommerlich-leicht unbekümmert.

 

Scream for me long beach! Was ist los? DESOLATED THRONE spielen arschgeilen, fetten Powermetal, groovig aufgelockert, mit geilem Sänger und alles hängt besoffen auf dem Zeltplatz ab? Ich bin enttäuscht. Immerhin geben die Musiker als auch die Anwesenden alles: die putzigste Wall of Death, Slamdance, Applaus. Trotzdem Schade für die Band, aber das ist das Musikerschicksal – anderer Ort, anderer Tag, alles wird gut.

 

Rhein-Ruhr-Finnland. Was zum Teufel? Publikumswunsch ist Publikumswunsch und das Leben hält immer Überraschungen bereit. So ist es zu erklären, dass der Rekord der weitesten Anreise auf den Namen MASK OF SATAN fällt, jedoch bleibt leider der Rest vom Schützenfest weiter sitzen oder liegen. Egal, mystische Kapuzenträger (er)deathblacken sich mit ‚Chants Of Lovecraftian Horror‘ auf herrlichste Weise die Herzen mit ‚M’s sphärischen Bassverschnaufpausen, Dschinghis Khan-Schnorresträger ‚O’s virtuosem Schlagzeugspiel statt durchrasselnder Doublebass und den Gitarrenattacken von ‚S‘. Endlich mal wieder Death Metal, der in keine Schubladen.passt, kann auch Death, Black & Roll gewesen sein. Absolut stimmungsvoll und famos.

 

Die sympathischen STORMHUNTER aus dem Reich des bangenden Kopfes Balingen jagen mit ihrem starken Material dem Geheimnis des melodischen Metals nach und wieder verkaufen andere, die musikalisch auf gleich hohem Niveau spielen, den Fans ihre Platten. Woran hängt’s? Der einzige Unterschied, den ich als Showfanatiker anmerken muss, ist das Auftreten. Als Fan in Fanshirt und Fankutte wirst du live von Veranstaltern nicht so wahrgenommen wie mit einem entsprechenden Image. Wem’s reicht – ok, absolut in Ordnung. Egal, die Fans vor den Brettern huldigen den Fans darauf und stimmen gemeinsam den fast dreißigjährigen Hit einer ehemaligen Nachwuchsband aus Krefeld, die deutsche Musikgeschichte geschrieben haben, betitelt ‚Valhalla‘. Der Mitsingtitel des Festivals? Das zufriedene Dauergrinsen aller spricht Bände.

 

Mein Geheimtipp GREYDON FIELDS aus Essen geben live vor wiederum enttäuschender Audienz ihr Bestes mit Material, das auch für progressivere Ohren Honig ist und gelegentlich gar die melodische Thrashkeule auspackt. Der starke Gesang erinnert in manchen Momenten an Peavy von RAGE und wer auf intelligent arrangierten powervollen Metal steht, sollte ohne zu zögern in die Tasche greifen und sich flugs die beiden Longplayer plus EP in die Sammlung stellen.

 

Das Herner Urgestein CUSTARD füllt die Lücke zwischen True und Powermetal – und zwar gewaltig. Technisch abermals ohne jeglichen Zweifel fackeln die Wikingerlookalikes ein Hitfeuerwerk nach dem anderen ab. Mit sechs Alben in der Hinterhand und einer coolen Bühnenoptik von Klamotten bis legendärer Axt wird mir als Showfetischisten ordentlich Genüge getan. Horns up!

 

Mit kompromisslosen Thrash und leckerer Brüllstimme locken PRIPJAT als fast prominenter Act endlich eine sehenswerte Meute an. Wer diese Macht schon mal live erleben durfte, braucht keine Details. Für unwissende Speedfreaks gilt: anschauen! Neben INCERTAIN gestern die Abräumer heute.

 

Wenn der Herr im Himmel mal AMON AMARTH mit MOTÖRHEAD-Nummern und ZAKK WYLDE dazu auf die Bühne schicken möchte, soll er nichts erschaffen, sondern CROSSPLANE aus dem Pott holen. Ich nenne es mal Motörmetal. Es macht Spaß. Es ist tight. Kriegt natürlich keinen Nobelpreis für Originalität, aber wer kriegt oder braucht den heutzutage? CROSSPLANE haben die Audienz im Griff und liefern einen bombigen Auftritt.

 

So, Freunde der Nacht. Nun geht’s ans Eingemachte und die letzten Reserven müssen raus. Glücklicherweise können TORMENT OF SOULS da weiterhelfen, denn die Eifler stehen für gewaltig brachialen Death mit Moshfaktor. Dazu verteilen sie heute das Bier unter den durstigen Bangern. Der Partyfaktor kann nochmals gesteigert werden. Welcome to German Death-Hardcore! Vorsicht: kann bis zur Mitte der Halle mächtig feucht werden.

 

FAZIT:

Genau so muss sie also aussehen, die Mission ‚A Chance For Metal‘. Jedoch muss der Wahlspruch „Ohne Metal macht es keinen Spass… und auch keinen Sinn!“ dieses Jahr in Anbetracht des zweiten Tages weitergedichtet werden: “Stellt euch vor, es ist Metal und keiner geht hin.“ Ausverkauft. Toll. Meine Abmahnung an die Überzahl der ‚Fans‘. Ihr bekommt eine Chance für Metal. Ergreift sie. Aus dem Jahrhundert, aus dem ich komme, war das Brot des Künstlers der Applaus. Die machen das für UNS. Wenn uns Tailgating wichtiger wird als Livemusik, bin ich auf das Gejammere gespannt, wenn kein gemeinsames Zelten mehr organisiert wird, denn wer soll das machen? Vielleicht sollte der Veranstalter den Ticketpreis erhöhen, damit nur noch Musikfans kommen, die sich für die Hauptdarsteller des Festivals interessieren. Ich bin dann da. Möglicherweise auch Leute, die keine Tickets mehr bekommen konnten, da diese für den lächerlichen Preis von fünfundzwanzig Euronen an Wackendauercamper gegangen sind.

Und immer schön die Augen aufhalten, was sich Jan & Co für Euch noch alles einfallen lassen!

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