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CRONE – Godspeed

2018 (Prophecy Productions) – Stil: Dark Rock


Alle hoffnungslosen Romantiker und stilistischen Klippenspringer hergehört! Die Osnabrück-Connection CRONE aus SECRETS OF THE MOON-Hauptakteur Phil ´sG´ Jonas und Drummer Markus Renzenbrink von den Deathlern EMBEDDED legt mit ´Godspeed’ ihr erstes vollwertiges Album nach der 2014er Debüt-EP ´Gehennah’ vor, und ich nehme nichts vorweg, wenn ich diesem Quintett sowie uns Hörern zukünftig noch viele weitere solcher Glanzstücke wünsche.

Hier haben sich Musiker des extremen Spektrums zusammengefunden, um mit einem hochemotionalen und trotzdem eingängigen Mix aus großen, klassischen Hardrock-Melodien, dem Drive des Alternative und der Düsternis des Gothic Rock wahre, tief berührende Geschichten von tragischen, vorzeitig beendeten Schicksalen zu erzählen, die zur selben Zeit Gleichnisse über die Zerrissenheit und Dramatik jedes menschlichen Lebens transportieren – es lohnt unbedingt, mehrere Blicke auf die Lyrics zu werfen. Die wie von leichter Hand komponierten Songs sind gleichermaßen Drum- wie Solo-Gitarrenbetont und inklusive eines Herzschlag-pumpernden Basses so klar wie warm produziert, dass sie sich wie ein kuscheliger Mantel um einen legen, in dem man sich für eine Weile vollkommen weltabgeschieden verlieren kann.

Der schwermütige, orientalisch-klezmereske Einstieg ‘Lucifer Valentine’, mit einer fast schon Feidman´schen Klarinette, bereitet dabei den Boden für sieben weitere Stücke voller Drama und Herzblut, und auch wenn die menschliche Tragödie dabei immer aus der Distanz betrachtet wird, gehen einem die mysteriösen Todesfälle näher als erwartet und geben damit die melancholische thematische Marschrichtung vor. sG’s spröde, ja brüchige, aber vor allem croonende Stimme kommt diesen gehaltvollen Liedern sehr zugute, man arbeitet desweiteren mit hörspielartigen Samples, historischen Originalaufnahmen und auffallend viel Bläsern, die mir beim ALICE COOPER-haften ´H´ doch etwas zu opulent ausfallen, der groovende Rocker würde auch ohne sie gut funktionieren. In seinem Endteil wie auch beim namensgebenden Titel sind deutliche Reminiszenzen an SECRETS OF THE MOONs letztes Album ´Sun´ nicht zu verleugnen, aber mit sehr viel Charme umgesetzt.

Eine weitere, nahe liegende ALICE, nämlich diejenige IN CHAINS, ist nicht nur vokal/choral, sondern vor allen auch basslastig-rhythmisch stets im Hintergrund aktiv (´Leviathan’s Lifework’), ´Mother Crone´ ist eine ebenfalls grungig angehauchte, tieftraurige Ballade über eine Fünfjährige, die zusammen mit ihrem Vater von der Golden Gate Bridge in den Tod springen muss, und das gleichzeitig belastende wie befreiende ´Demmin´berichtet vom Selbstmord als einzigem Ausweg. Ob hier die Einflüsterungen eines CRIPPLED BLACK PHOENIX bei der Wiederauferstehung helfen werden?

Da passt es, am Ende ´Godspeed’ im Wortsinne zu wünschen – der über zwölf Minuten lange episch-progressive, damit auch sperrige Brocken zum Thema Einsamkeit kann als Epilog zu ´Sun´ genossen werden, geht aber weit darüber hinaus; hier zeigt die Band, wie perfekt sie mit Gefühl und Dynamik zu spielen in der Lage ist. Im Mittelteil rezitiert, wie ich vermute, ein weiterer Osnabrücker, nämlich Marcel ´Skald Draugir’ Dreckmann (WÖLJAGER, HELRUNAR…) Hermann Hesses „Im Nebel“ und bringt die Thematik damit perfekt auf den Punkt.

Absoluter Höhepunkt dieser Platte ist für mich jedoch ´The Ptilonist’, ein mit bittersüßer Sehnsucht nur so aufgeladener, langsamer Walzer über das tragische Ende des Fallschirmpioniers Franz Reichelt als modernem Ikarus, der seiner Erfindung vollkommen vertraut und vom Eiffelturm in den sicheren Tod springt. Nichts kann seinen Höhenflug zur Sonne besser in Klang umsetzen als Pascal Heemanns prachtvoll-strahlendes Solo-Riff, das diesem Song dramatische Flügel verleiht.

Dieses Gefühl von Erlösung und Freiheit ist, was man aus diesem gleichsam außergewöhnlichen wie einschmeichelndem Album mit ins Leben nehmen sollte, und damit passt es auch wunderbar zum Frühling mit all seinen neu entstehenden Möglichkeiten. Mögen all Eure beherzten Vorhaben von Erfolg gekrönt sein!

(8 schwelgerische Punkte)

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