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SOLSTICE – White Horse Hill

2018 (Invictus Productions) – Stil: Epic Doom


Wieso gefällt das erste abendfüllende Werk von SOLSTICE nach sagenhaften 20 Jahren sofort allen Die-Hard-Supportern? Weil sie es bereits zu einem Großteil kennen. Und was macht der erfahrene Musikhörer mit einem brandneuen Album? Er hört es durch, spart dabei jedoch erst einmal die längst bekannten Lieder aus. Denn das allseits bekannte Single-Syndrome, wenn sich ein Lied vorab schon ins Gedächtnis brennt und die anderen Songs diesen Vorsprung niemals aufholen können, sollte vermieden werden. Im Falle von SOLSTICE und ´White Horse Hill´ bedeutet dies folglich bei Erstkontakt allein das Anhören des knapp dreiminütigen Intros, einem weiteren Zwischenstück ähnlicher Länge und des einzigen, richtigen neuen Liedes, dem über zwölfminütigen ´Under Waves Lie Our Dead´.

Überrascht stellt der Die-Hard-Supporter fest, dass ´White Horse Hill´ gar nicht so jungfräulich für ihn ist, da er die restlichen Songs vom 2016er Werk ´To Sol A Thane´ kennt, einer Demonstrations-Veröffentlichung all dieser Kompositionen auf Vinyl und in digitaler Form. Und um sich zwei Jahre später ´White Horse Hill´ ebenfalls komplett seiner Sammlung einzuverleiben, gönnt er sich die europäische Version als Vinyl mit Poster, Tape mit Bonus-Songs sowie Gatefold-Card Silberling oder aber in der US-Version als Vinyl, Tape mit Bonus-Songs sowie die Jewel-Case Silberling-Version, allein hier mit Bonus-Track.

Da sitzen jetzt alle Die-Hard-Supporter mit ihrem Download des Jahres in den Bergen, warten auf ihre sechs noch zu erstehenden Album-Versionen, da es diese nicht im Zusammenhang mit ihrem Download zu erwerben gab, und lauschen tagein, tagaus einer Musik, die nach eigenem Bekunden ihrer Anbieter gar nicht auf diese Art gehört werden sollte, einer Musik, die sie nach zwei Jahren wiedererkannt und wieder liebgewonnen haben. Das muss das Album of the year sein.

Das Album gibt sich mit ´III´, einer unter Raben und Krähen langsam tonal anschwellenden Inthronisation, die Ehre, um mit dem prächtigen Epic-Geschütz ´To Sol A Thane´ gleich zu Anfang Zähne zu zeigen. Das neue Zwischenspiel ´Beheld, A Man Of Straw´ trägt unter donnernden Wolken und Regenschauern eine liebreizende Melodie in sich, rauscht allerdings wie ein sanfter Sturm durch die Klippen geschwind hindurch. Der zweite echte Song ´White Horse Hill´ findet sodann also bereits zum dritten Mal einen Hort zur Niederkunft. Zu ´For All Days, And For None´ stehen schroffe Gitarren bereit und der Sänger auf Atlantik-Felsen. Eine besinnlich trommelnde Schönheit im frühen Nebel. Die einzige echtjungfräuliche Komposition offenbart sich eindrucksvoll in ´Under Waves Lie Our Dead´ innerhalb von einem Dutzend epischen Minuten. Den Aufruf an den allmächtigen Vater gibt uns ´Gallow Fen´ zum klassischen Abschluss eines Werkes, das in seiner Gesamtheit die Länge einer Musikkassetten-Seite anvisiert.

Langsam steige ich zu den Die-Hard-Supportern in das Gebirge hinauf und labe mich an der lieblichen Ruppigkeit aller Kompositionen. Weiterhin ohne Discman oder Walkman bewaffnet, schwant mir derweil in Form einer uralten Regel Unheil. Galt nicht allzeit die erste Demonstration als das Meisterstück?

(8,5 Punkte)

https://www.facebook.com/Solstice.Englander