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CLOUDS CAN – Leave

~ 2017 (Progressive Promotion Records) – Stil: Artrock ~


2017 ist ein Jahr der Überraschungen, der positiven als auch negativen. Selbst im Genre des Progressive Rock. Erst verkündet Steven Wilson, der Mann, der sich geschickter Weise von Beginn an nie das Etikett ‚Prog Rock‘ überstülpen ließ, dass er seinen Art Rock in den ambitionierten Pop Bereich von Peter Gabriel, Kate Bush, TALK TALK und TEARS FOR FEARS transferieren mag. Die Szene ist zum x-ten Male irritiert und kompromittiert, obwohl Steven Wilson ein überragendes Werk kreiert. Alsdann schließt sich die Gruppe CLOUDS CAN diesen Gedanken, zufällig oder nicht, an.

Thomas Thielen, der Mann, der seit Jahren unter seinem Moniker T ein Groß-Werk nach dem anderen veröffentlicht, und Dominik Hüttermann, mehr oder weniger berühmt als HUMAN, schrieben bereits vor zwanzig Jahren an zwei Werken. Nun sind sie, jeder für sich gesehen als Sänger, Multiinstrumentalist und Produzent, wieder vereint und wollen komprimierte Progressive Rock-Songs darreichen, kurze Pop Songs und keinesfalls lange zehnminütige Epen. Obwohl sie aus Sichtweise des Musikers von imaginären Gemeinschaftswerken eines Gary Barlow und Steve Hackett schwärmen, von Popsongs und Balladen mit Orchester und Metal-Gitarren oder hinsichtlich ihrer Kompositionen von Progressive Punk schwadronieren, kann der Zuhörer letzten Endes im gleichen Maße wie bei Steven Wilson das Fazit ziehen: Es bleibt alles beim Alten. Alles bleibt wie es ist. Alles?

Nicht gänzlich. Aber natürlich entspricht ein sechs- oder siebenminütiger Song längst nicht dem gängigen Pop-Format. In Verbindung mit der unnachahmlichen Stimme Thomas Thielens lassen sich in den rechtzeitig aufwallenden und frühzeitig auf den Höhepunkt abzielenden Kompositionen viele Gemeinsamkeiten zu T finden. Die sinfonische Eröffnungsbrandung ´This Dream Of Me´ spricht daher weder EURYTHMICS ´Sweet Dreams Are Made Of This´-Goutierer noch solche von Doris Days ´Dream A Little Dream Of Me´ an, aber alle T-Langzeitsüchtigen. Die Musik scheint lyrisch bei weitem eine positivere Ausstrahlung zu besitzen, lebt gleichwohl hier ebenfalls von der melancholischen Aura Thielens, die fürderhin immer und ewig MARILLION-Standhafte vereinnahmt. ´All We Are I Am Not´ schwelgt in diesen Sentimentalitäten, berauscht und lässt ´Are We All We Are´ von PINK vergessen. ´Life Is Strange´ und ´On The Day You Leave´ beschließen sentimental und ausgedehnt die erste Albumhälfte. Ersterer jubiliert in solistischer Gitarreneuphorie, während in letztgenannter, balladesker Nummer im Finalrahmen die Fanfaren orchestral losbrechen. Allein der Sound des Albums kann nicht mit einer kristallklaren Durchschlagskraft punkten. Sodann zieht es ´Like Any Angel´ geradewegs zu den Sternen, nicht ´Like An Angel´ mit DURAN DURAN, sondern in die himmelhochjauchzende Melancholie eines Thomas Thielen, tastenversetzte Klavieranschläge im Sinne von COLDPLAY mitinbegriffen. THE 1975 sangen letztjährig ´A Change Of Heart´, CLOUDS CAN verweilen in ihrer Variante letztlich überwiegend bei Steve Hogarth anstatt Gary Barlow und fliegen zum Chor flirrende Gitarren ein. ´Insomnia´ reicht in prog-metallische Gefilde INDUKTIs und packt den LAZULI-Gitarrenschwarm aus. ´Always Forever´ schließt besinnlich mit der Liebesfrage, bei veränderter Zuneigung und Leidenschaft: bleiben oder gehen? Wähle ´Leave´.

(8,5 Punkte)

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