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SEPTICFLESH – Codex Omega

2017 (Season of Mist) – Stil: Symphonic Death Metal


„I am a man of strong regrets“, singt Seth Siro Anton in ‚Portrait Of A Headless Man‘, und beides, sowohl das Bereuen als auch die Kopflosigkeit, kommen mir immer wieder in den Sinn, als ich mir das zehnte Album der Athener vornehme. Sicher, die Werke der Vorzeigeband in ihrem Genre waren noch nie leicht zugänglich und benötigen stets einige Durchläufe, bis sie soweit gewachsen sind, daß das Hören zum puren Genuß wird, aber diesmal werde ich den Eindruck nicht los, daß hier etwas ganz grundlegend schief läuft. Diese von mir mit so viel Spannung erwartete Platte und ich, wir werden einfach keine Freunde. Und ich nehme nicht zuviel vorweg, wenn ich sie als – entschuldigt das Wortspiel – blutleer bezeichne.

Dabei ist eigentlich alles wie gehabt: Stakkato-Riffing trifft auf eisenharte Blastbeats, Seth growlt die apokalyptischen Lyrics so aggressiv, als ob er täglich mit Blei gurgeln würde und Sotiris ist weiterhin für die diesmal leider sehr spärlich gesäten klaren Vokalanteile zuständig. Technisch steht die Band wie immer unangefochten an der Spitze. Die von Gitarrist Christos arrangierten symphonischen Parts wurden einmal mehr auf höchstem Niveau vom Prager FILMharmonic Orchestra eingespielt (‚Portrait Of A Headless Man’)‚ ein umfangreicher Chor setzt Akzente, jedoch in viel geringererem Maße als gewohnt; Gastmusiker mit orientalischen Instrumenten wie Oud und Duduk fügen zusätzliche Nuancen bei. Einzige wirklich neue Zutat: Schlagzeuger-Neuzugang Krimh bringt noch mehr maschinelle Kälte in die seit Angedenken getriggerten Drums (‚Enemy Of Truth’) und erinnert damit stark an Raymond Herrera (FEAR FACTORY) – fraglich nur, ob dieser nochmals verstärkte Industrial-Touch dem Bandsound guttut.

Denn damit sind wir beim eigentlichen Problem angelangt, und ich komme nicht umhin, hier abermals ‚Portrait…’ zu zitieren: „But I was a hopeless dreamer, with my head deep in the clouds”. Schon das letzte Album ‘Titan’ liess bei mir einige Wünsche offen, meine liebste SEPTICFLESH ist (und, wie ich nun vermuten muss, bleibt) ‚The Great Mass’ aus 2011, damals noch mit Peter Tägtgren an den Reglern. Deren Stärken, wie die ideale Ausgewogenheit zwischen hartem Riffing und melodischem Solo, dem Wechselgesang von guttural und klar, großer symphonischer Dynamik und leisen Tönen, epischen Momenten und spannungsvoll zurückgenommenen Arrangements, hat zusammen mit genialen Songideen unerreichte Genrehits wie ‚The Vampire From Nazareth’, ‚Pyramid God’, ‚Rising’ oder, alles überragend, ‚Theriantrophy’ hervorgebracht. Hier wurden große Gefühle in mitreissende Musik umgesetzt, die keinen Hörer unberührt liess.

Und genau die eben genannten Zutaten fehlen mir diesmal. Wenn heute Gefühle aufkommen, dann sind es maximal Düsternis, mechanische Kälte, Frustration und Aggression (‚Dante’s Inferno’). Falls diese hoffnunglose Weltsicht von den Griechen so gewollt ist, zu unseren modernen Zeiten würde es schon passen.

Schlimmer finde ich jedoch, was aus dem bisher so hochklassigen Songwriting geworden ist. Viele verwendete Elemente wie ständige Breaks, Tempowechsel oder die Orchesterparts sollten im Dienste des Songs stehen, ihm weitere Möglichkeiten eröffnen. Aber wenn kein wirklich packender Song zugrundeliegt, ist all dies lediglich schmückendes Beiwerk, und bleibt auch nicht länger als die Spieldauer im Ohr. Diverse Selbstzitate hinterlassen einen schalen Nachgeschmack, die Platte wird vom Prinzip der Wiederholung getragen, was sie uninspiriert und stumpf, ja, l(i)eblos erscheinen lässt. Manchmal habe ich den Eindruck, es handele sich hier um einen Schnellschuss, um unvollendetes Stückwerk.

Immerhin, nicht alles ist schlecht, sobald die Leadgitarre solieren und Sotiris singen darf, gibt es Lichtblicke: Songs wie das vielzitierte ‚Portrait Of A Headless Man’, ‚Martyr’ oder ‚Dark Art’ lassen für die Zukunft weiter hoffen. Und das Konzept ‚last song, best song’ haben die Griechen auch diesmal umgesetzt: ‚Trinity’ reicht als einziges Lied an alte Größe heran – leider jedoch auch hier nur bis zu dem Moment, in dem es unvorhersehbar aprupt endet. Schade, schade, Jungs – eigentlich habt ihr’s doch immer noch drauf. Was ist da bloß los? Wo ist die brennende Leidenschaft geblieben, die Liebe zum Spiel? Ich hoffe sehr, ihr findet beides ganz bald wieder. Dann macht ihr es auch mir leichter, denn mit sehr schwerem Herzen gibt das diesmal leider nur 4,5 Punkte.