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KLAUS SCHULZE – Mirage

1977 / 2017 (MIG) – Stil: Electronic / Avantgarde


Musik zum Träumen. Musik zum Hineintauchen. Musik, bei der der Künstler die Gaben bereithält, die der Hörer nur noch annehmen und verinnerlichen muss.

So verhält es sich mit einem der besten Klaus Schulze Werke aus den 70ern, mit einem seiner besten überhaupt: ´Mirage´.

Als Schlagzeuger von PSY FREE, mit Alex Conti, von TANGERINE DREAM und Mitbegründer von ASH RA TEMPEL künstlerisch gestartet, erlangte Klaus Schulze erst mit seinen Solowerken weltweit Anerkennung. Spätestens seit seinem achten Album ´Mirage´ muss er obendrein neben TANGERINE DREAM als Wegbereiter der ‚Berliner Schule‘ angesehen werden. Denn ´Mirage´ pinselt kraftvoll eine elektronische Winterlandschaft, in der Eis und Winter, Abschied und Tod zentrale Themen sind. Da Klaus Schulze dieses dritte Werk in 1977 in finstrer Stimmung schrieb, sein Bruder lag zeitgleich im Sterben, spiegelt sich die dunkle Jahreszeit einzigartig in der düsteren Stimmung wieder.

Zwei entrückte Stücke bauen die Bilder in der Vorstellung auf, verlassen den Aufenthaltsort zwischen Raum und Zeit. In einem Album, das an Abstraktheit kaum zu überbieten scheint. Zwei Songs, die beide in sechs Abschnitte unterteilt und fast 30 Minuten lang sind, bildeten einst jeweils eine Album-Seite. ´Velvet Voyage´ ist dunkel, voller darkness, my friend, dronend, baut es seine Klänge auf. Kalt. Ohne einen Widerhaken zur Realität. Geisterhaft. ´Crystal Lake´ gilt hingegen als das große Songgeschöpf von Schulze. Verträumt, sphärenhaft, hypnotisierend, gleitend. Es gerät nie in gewöhnliche Aufwallungen, denn der See schimmert durchgehend in ungewöhnlicher Weise.

Bereits in den 80ern wurde ´Mirage´ mehr schlecht als recht digital remastert und entfernte sich immer weiter vom Original, sogar mit Aussetzern im Verlauf. Daher nahm sich Tom Dams aus Klaus Schulzes fester Studio-Equipe den Restaurierungsarbeiten an. Mit der Unterstützung von Schulze konnte er das Material wieder in alte Sphären geleiten, die dem analogen Ursprung endlich wieder sehr nahe kommen, so das ´Mirage´ in dem ihm angemessenen Glanze neuerlich erstrahlen kann. Hinzu gesellt sich das von den letzten Neuauflagen bekannte, 20-minütige ´In Cosa Crede Chi Non Crede?´.

Ein Pflichtwerk für alle Freunde der Elektronik- und Synthesizer-Klänge, denen ein Schuss Ambient zur rechten Zeit gelegen kommt. Als Einstiegsalbum in die umfangreiche Welt des Meisters, aber auch als Rosinenstück aus dieser herauszupicken. Eine sehr visionäre sowie experimentelle Musik, selbst nach 40 Jahren ein zeitloses Meisterstück.

[Klassiker]