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ROYAL THUNDER – Wick

~ 2017 (Spinefarm) – Stil: (Hard) Rock ~


Die aus Atlanta stammende Truppe um die außergewöhnliche Sängerin Mlny Parsonz setzt mit ihrem neusten Album die musikalische Reise fort, die auf dem Vorgänger `Crooked Doors` begonnen wurde. ROYAL THUNDER bewegen sich sogar noch weiter von den doomigen Elementen weg und schaffen sich einen eigenen, musikalischen Kosmos. Sie jonglieren mit `Wick` zwischen Genregrenzen, setzen neue Akzente, triumphieren mit Songs, die süchtig machen und lassen dabei keinerlei Vergleiche zu.

`Wick` wird von gigantischen Melodien dominiert – das ist schon einmal die Hauptaussage zu diesem Album. Zwölf Songs, zwölf neue Erfahrungen was Musik alles kann, wenn sie sich nicht in ausgelatschten Pfaden bewegt. Die Vielseitigkeit der Stücke ist einer der markantesten Pluspunkte des Albums. Von magischen Balladen bis zum harten Rocker, ROYAL THUNDER setzen sich keine Grenzen und dennoch wirkt dieses Album sehr strukturiert und im Gesamtkontext wie ein Trip in eine andere, positiv melancholische Welt.

`Plans` ist eine Ballade wie sie nur selten zu hören ist. Was für ein Tiefgang, was für ein Gesang! Und erinnert ansatzweise an Anna Calvin. `Anchor` ist pure Magie mit faszinierenden Melodien. Manche Songs haben zudem eine atmosphärische Dichte, wie sie beispielweise im Titelsong höchstens von Kate Bush bekannt ist. Dagegen ist `The Sinking Chair` ein treibendes, rohes Stück mit fast schon klassischer Metal-Struktur – Hammer! Erwähnenswert ist unbedingt noch das Ende von `We Never Fell Asleep` – Gänsehaut-Alarm!

`Wick` ist ein weiterer, schlagender Beweis, dass Mlny Parsonz eine der ungewöhnlichsten und charismatischsten Frontfrauen der Szene ist. Ob kraftvolle, metallische Noten oder eher eindringliches Flüstern, die Frau gibt alles. Es gibt Momente auf diesem Album, bei denen man fast in Tränen ausbricht, weil sie so unglaublich emotional sind. Die soulige Grundkomponente beißt sich oftmals mit den rockigen Parts, hier hingegen ist alles in perfekter Balance. Denn wie sagt Gitarrist Josh Weaver:  „´Wick´ ist anders. Was unseren Sound betrifft, ist es ein großer Schritt – aber es klingt immer noch nach uns. Es ist der Sound der Evolution von Royal Thunder …”.

Danke, für solch ein großartiges Album, für solch einmalige Songs, für diese emotionale Achterbahnfahrt. Solche Alben stärken zumindest meinen Glauben an den Rock, der immer noch neue Akzente setzen kann.

(9,5 Punkte)

Jürgen Tschamler

 

 

Das dritte abendfüllende Werk der 2004 in Atlanta, Georgia, aus der Taufe gehobenen ROYAL THUNDER wirkt erneut wie ein Katalysator auf all die Erfahrungen, die die Band in der Zwischenzeit erlebt hat, denn vor zwei Jahren hätten sie es in dieser Art und Weise nicht produzieren können. „Es war eine kathartische Erfahrung“, sagt Ausnahmesängerin Mlny Parsonz. „Es gab Momente, in denen ich in der Gesangskabine getanzt habe und andere, in denen ich meine Hände so tief wie möglich in den Hosentaschen vergraben hatte, weil ich so wütend auf den Song oder einfach generell frustriert war.“

Allerdings steht auf ´Wick´ gleichwohl neuerlich Mlny Parsonz im Mittelpunkt des musikalischen Geschehens, das zwischen Classic Rock sowie Hard Rock pendelt und dabei magisch psychedelische Duftmarken einfließen lässt. Anno 2017 zwar bei weitem elegischer und geradezu schwebend in seiner Auslegung, findet das Quartett infolgedessen selten zu ekstatischen Gewaltausbrüchen. Die Bedrohlichkeit entwickelt sich allein durch die düstere Atmosphäre. Allzeit durchströmt diese eine Elektrisierung, nicht nur aufgrund der Präsenz von Mlny Parsonz, die sich erneut mit Herz und Seele entblößt, sondern ebenso durch die hypnotisierenden Gitarren von Mastermind Josh Weaver und Will Fiore. Dennoch bleibt bisweilen das feurige musikalische Anheizen ungenutzt, wenn hin und wieder einige Lieder nicht zum Höhepunkt gelangen. Konnte beim Vorgänger die geringere Fokussierung vieler Songs auf den zerrissenen privaten Bund fürs Leben zwischen Mlny Parsonz und Josh Weaver zurückgeführt werden, bleibt der Grund des diesmaligen Katalysators unausgesprochen.

´Burning Tree´ verliert sich augenscheinlich sogleich in flirrender TEA PARTY-Hitze und bestätigt die schlichte Umschreibung von Mlny Parsonz und ROYAL THUNDER als eine von Janis Joplin angeführte LED ZEPPELIN-Variante. ´Tied´ schafft es hingegen aus der getragenen Stimmung heraus auszubrechen und nebenbei aufzulodern, während ´April Showers´ in seinem epischen Rock-Groove versinkt. Mlny Parsonz bleibt ferner ihrer gesanglichen Ambivalenz treu, hier noch nach Stevie Nicks und Layne Staley tönend, verweilen dort an anderer Stelle Susi Quattro und Nina C. Alice im Soundkosmos. Angefacht von Geigen, treiben sowohl Gitarren als auch Klavieranschläge das dunkle ´Push´ zwirbelnd in die Höhe, wohingegen ´Turnaround´ die selten so großartig dargebotene pure Kraft offenlegt. Zuweilen enteilen ROYAL THUNDER nämlich mittlerweile in Zirkel von KINGS OF LEON oder ALABAMA SHAKES und lassen insbesondere im mittigen Bereich des Werkes – zwischen dem unaufhaltsamen Highlight ´We Slipped´, der bluesige Ballade ´Plans´, mit herzzerreißender Gesangsdarbietung in Gedenken an Janis Joplin sowie Linda Perry, und dem qualvoll darbenden Titelsong inklusive Explosionsgefahr – den Classic Rock glühen. Selbst wenn zackige Boogie-Woogie-Rocker wie ´The Sinking Chair´ in Folge nicht zur erwünschten Tiefenentspannung führen, tangiert dies das abtretende ´We Never Fell Asleep´, das dem schieren Wahnsinn verfallen scheint, keineswegs.

(8,5 Punkte)

Michael Haifl