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DREAM THEATER – The Astonishing

~ 2016 (Roadrunner Records) – Stil: Prog Rock/Metal ~


Für ihr dreizehntes Studioalbum haben sich DREAM THEATER etwas ganz Besonderes ausgedacht: Eine Rock Oper. Und ´The Astonishing´ ist auf über 130 Minuten Spielzeit somit ihr erstes Konzeptalbum seit ´Metropolis Part 2: Scenes From A Memory´ und das zweite Doppel-Album nach ´Six Degrees Of Inner Turbulence´. Das Album wurde zudem überwiegend von Gitarrist John Petrucci in Zusammenarbeit mit Keyboarder Jordan Rudess geschrieben und ist nicht nur aufgrund der Zusammenarbeit mit einem Orchester äußerst melodisch ausgefallen. Ein Album, das folglich weitaus mehr dem SPOCKS BEARD-, SHADOW GALLERY- oder MAGELLAN-Liebhaber gefallen könnte, als dem DREAM THEATER-Hardliner, der weiterhin ´Images And Words´ oder gar dem Debütalbum nachtrauert.

Nach der passenden Ouvertüre (´Dystopian Overture´) legen DREAM THEATER mit ´The Gift Of Music´ ein schnelles Tempo vor, fast überschlagen sich die Ideen, doch ´A Better Life´ gebietet diesem einigermaßen Einhalt und lässt die Musik stetig zum Höhepunkt finden. Während ´Lord Nafaryus´ beinahe tänzerisch, mit einem erzählenden Charakter aufwartet, ist ´A Savior In The Square´ dramatisch, mit Breaks durchsetzt und zeigt insgesamt, dass die Band der Progressivität wieder gerecht werden will. James LaBrie holt für die beiden balladesken Songs ´When Your Time Has Come´ und ´Act Of Faythe´ seine samtene Stimme heraus. Denn auf ´The Astonishing´ muss er all seine Fähigkeiten aufbieten, hat LaBrie immerhin sämtliche verschiedene Charaktere der Storyline ohne gesangliche Unterstützung allein zu singen. ´Three Days´ kehrt die epische und schmachtende Seite der Band, mit einigen kurzen Jahrmarktsmusik-Einsprengseln, nach vorne, ehe ´Brother, Can You Hear Me´ umgehend vom Chor getragen zielgerecht mehrere himmlische Gesangsvorträge auffährt. Halbwegs schwelgerisch klingt das Ausbrechen (`A Life Left Behind´), gewissermaßen zu schön für die Geschichtserzählung. Passende Klavieranschläge zum Rhythmus verspricht ´Ravenskill´ und abermals einen Song, der sich wie eine Ouvertüre gibt, die ´Chosen´ anschließend, aus einem Klavier-/Akustikgitarren-Song erwachsend, ebenfalls sein mag. In ´A Tempting Offer´ darf Mangini unmerklich mehr auf die Felle dreschen, obwohl die Streicher des Orchesters diesen ausklingen lassen. Und so kann sogar eine Bagpipe mit der ´Brother, Can You Hear Me´-Melodie das folgende ´The X Aspect´ abschließen. Flott und aufwallend begibt sich ´A New Beginning´ auf den weiteren Weg, kleine eingeflochtene Orchester-Kabinettstücke und Instrumentaldarbietungen der Band inklusive. Bei ´The Road To Revolution´ zaubern sie einfach eine neue, von Strings getragene Melodie hervor und setzen kurz vor der Eruption ein knackiges Break ein. Richtig klassisch, also bandtypisch, richtig melodisch ist ´Moment Of Betrayal´; bevor in ´Begin Again´ LaBries Stimme nahezu nur mit Akustikgitarre erklingt, bis Band und das Orchester hinzustoßen. Mit ´My Last Farewell´ täuscht die Band, wie so oft, eine Ballade an, obwohl sich die Stimmung und die Geschwindigkeit selbstverständlich umgehend ändert, wobei hernach ´Losing Faythe´ tatsächlich eine schöne solche ist. Klavier, Geige und Akustikgitarre ermöglichen anfangs ´Hymn Of A Thousand Voices´ zu frohlocken, so dass kurz vor dem Ende ´Our New World´ als passende Single-Veröffentlichung erscheint und ´Astonishing´ das große Finale beschließt.

DREAM THEATER haben ihre schöpferische Kraft in kompakten Songs destilliert, ohne einen Tropfen ihrer musikalischen Kraft dabei zu entbehren. Vielmehr gelingt es ihnen durchgehend, punktgenau zu musizieren und ein großartiges Werk, getragen von einem ausschweifenden Konzept, zu erschaffen.

(Dicke 8 Punkte)