Livehaftig

ENTOMBED A.D., VOIVOD, LORD DYING

4.11.2016, München, Backstage Halle


Snake is not amused. „Hey, this should be an energy-transfer“, hadert der VOIVOD-Fronter mit dem Publikum im Münchner Backstage. „We give energy to you, and you should give it back!“ ‚Tribal Convictions‘, der populärste Song der kanadischen Legende ist gerade verklungen, doch statt kollektivem Ausrasten ist an diesem Freitagabend bislang eher freudiges Beobachten angesagt. Das ändert sich erst mit dem an vierter Stelle der Setlist platzierten ‚Order Of The Blackguards‘. Moshpit, ekstatische Schreie – alles wieder in Ordnung im VOIVOD-Kosmos.

Ja, man muss dankbar sein für jede Tournee der Thrash-Avantgerdisten aus Quebec. An Energie mangelt es Snake, Away, Chewy und Viersaiten-Küken Rocky (seit 2014 an Bord) auch im 35. Jahr seit dem Band-Urknall nicht.

Die Spielfreude ist zu jeder Sekunde spürbar, die neuen Songs der ‚Post Society‘-EP fügen sich perfekt ein, kein Quadratmeter der Bühne bleibt unbetanzt. Und Snake ist nicht nur gut bei Stimme sondern auch grimassentechnisch voll auf der Höhe. Ein Gesamtkunstwerk from outer Space. Leider nur mit zehn Songs – den Headliner-Status haben auf dieser Novemberreise durch Europa ENTOMBED AD inne.

Was hängenbleibt von diesem VOIVOD-Gig ist neben dem angenehm differenzierten Sound und der Songauswahl über sämtliche Schaffensperioden hinweg (‚The Prow‘ ist der am meisten gefeierte Song des Abends) die ehrliche Dank- und Nahbarkeit der Band. Hier gibt’s keine Barriere zwischen Musikern und Fans. Wer das Gespräch sucht, der findet es auch. Und beim nächsten Mal dann bitte wieder ‚Astronomy Domine‘ auspacken!

Die Lars-Göran-Petrov-Version von ENTOMBED hat es nach diesem Gig nicht leicht, die Stimmung zu halten. Einige dem Verfasser wohlbekannte VOIVOD-Fans spielen in der Umbaupause mit dem Gedanken, den Rest des Abends woanders zu verbringen. Und doch bangen sie am Ende des Sets allesamt begeistert zu ‚Left Hand Path‘ und ‚Night Of The Vampire‘. Was für ein unerwartet geiler Abriss! Hauptverantwortlich ist der blendend aufgelegte Chef-Elch LGP, dem das Resthaar schon nach zwei Songs wirr am 44-jährigen Schädel klebt. Petrov röhrt, bellt, grunzt und singt, labt sich zwischendurch am König-Ludwig-Hell und verkörpert mit seinem ansteckenden Enthusiasmus alles, was eine erstklassige Rampensau ausmacht.

Die Fans gehen anders als bei VOIVOD von Beginn an steil, es wird ordentlich gemosht und gehüpft, zum Crowdsurfen oder Stagediven ist die Halle mit geschätzten 200 Leuten (leider) nicht voll genug. Nicht auszuschließen, dass ‚Damn Deal Done‘ bei voller Hütte das Ende des Backstage bedeutet hätte. Ein Traum in blutrot, welche Soundwand das Gitarren-Duo Nico Elgstand und Guilherme Miranha hier auffährt. Da wird sich Alex Hellids ENTOMBED-Version trotz der Mehrzahl an Urmitgliedern sauber strecken müssen, um auch nur halbwegs an diese Energie heranzukommen.

Erwähnt werden müssen der Vollständigkeit halber auch LORD DYING aus Portland, die den Abend mit ihrem Sludge-Metal eröffnen. Auf Platte mag das Gebräu gut reinlaufen, live wird das Ganze an diesem Abend zur Qual, da das Schlagzeug viel zu laut abgemischt ist. Warmen Applaus gibt’s trotzdem zur Genüge, wir sind ja schließlich in der Weltstadt mit Herz.