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BOL & SNAH – So? Now?

2016 (Gigafon Records/Broken Silence) – Stil: Artrock


Musik mit Herz und Seele.

Das norwegische Improvisationstrio BOL begann in 1995 noch als Quartett und veröffentlichte sein gleichnamiges Debüt sechs Jahre nach Bandgründung. Saxofonist Tor Yttredal verließ jedoch die anderen Bandmitglieder um Sängerin Tone Åse (KVITRETTEN, TRONDHEIM VOICES), Keyboarder Ståle Storløkken (u.a. SUPERSILENT, HUMCRUSH, ELEPHANT9) und Schlagzeuger Tor Haugerud (TRANSJOIK, GIBRISH, TRONDHEIM JAZZ ORCHESTRA) recht zeitnah.

Für ein Jazzfest in Trondheim arbeiteten sie erstmals in 2010 mit Gitarrist Hans Magnus ”Snah” Ryan (MOTORPSYCHO) und Stian Westerhus (JAGA JAZZIST, MONOLITHIC) zusammen. Diese Zusammenarbeit fruchtete im Album ´Numb, Number´ aus dem Jahr 2012. Vier Jahre später legt das Trio BOL nun ein weiteres Zeugnis aus der Kooperation mit Gitarrist ”Snah” Ryan ab. BOL & Snah präsentieren dabei auf ´So? Now?´ Kompositionen aus der Feder von Tone Åse, die sich bei ihren Texten teilweise der Lyrik des norwegischen Dichters Rolf Jacobsen (1907-1994) bediente.

Alsdann heißt es gut festhalten. Die heißeste Artrock-Band seit BENT KNEE nimmt auf dieser knappen Dreiviertelstunde umgehend Fahrt auf. Bewegt sich durchgehend in luftiger Höhe, in nordischer Kälte und lässt dennoch allzeit hitzige, seelenstreichelnde Töne erklingen. ´The Sidewalks´ zieht den Hörer zu Beginn mit einer äußerst bedrohlich anschwellenden Stimmung langsam in einen Strudel hinauf. Alle – die Gitarre, der Gesang, die Drums und die dunklen Tastenklängen – scheinen in vollkommener Ekstase aufzuspielen. Als hüpfe Joni Mitchell oder Kate Bush mit PAATOS durch die Lüfte. Das ist Musik, vollendet in purer Leidenschaft. Kulminationen ohne Luft zu holen. Ein unwiderruflich strahlender Klassiker. Erst zum Abschluss zieht die Band im passend betitelten ´Epilogue´ erneut solch einen Bannkreis, aus dem es kein Entrinnen gibt. Hier sind es die Gitarren, die alles förmlich mitreißen und schwelgerisch emportragen. Weit mehr als ein neues Lehrstück in Sachen New Artrock.

Dazwischen strahlt ´#thatfeeling´ so dermaßen überspannt und fanatisch über den Dingen wie es vor vielen Jahre allein Lisa Dal Bello in ihrer ureigenen Art und Weise darbieten konnte. Ein Retro Prog-Faktor mischt sich zudem ungeniert hinzu. Eine Trommel wird dagegen in ´So? Now?´ so kontinuierlich schlicht bearbeitet, dass sich die Atmosphäre gar in Verbindung mit dem entzückenden Sprechgesang von Tone Åse an frühe VELVET UNDERGROUND-Tage anschleicht. Hier zeichnen sich die Erfahrungen der Sängerin im Elektronik und Ambient-Bereich absolut aus. Und zwischenzeitlich macht der Bass in ´Briefing´ sogar einem Les Claypool alle Ehre. Womöglich wollten sich die Herren dann wenigstens in ´Reality´ umgehend in einen Rausch spielen, doch Tone Åse zügelt sie und schwebt sanft durch ihre Träume bis sie gemeinsam berauscht und erhitzt das Weltall ansteuern.

Musik mit überbordenden Gefühlen. BOL & SNAH – Musik zwischen Genie und Wahnsinn. ´So? Now?´ – ein Meisterwerk.

(10 Punkte)

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