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MAYFAIR – My Ghosts Inside

~ 2016 (Pure Prog Records) ~


In diesem Jahr feiert der Release des legendären Demos ´Find My Screams Behind This Gate´ von MAYFAIR sein Jubiläum. Vor 25 Jahren schlug dieses Demo wie eine kleine Bombe im metallischen Underground ein. Von Vergleichen mit FATES WARNING und WARLORD konnten andere nur träumen, MAYFAIR hingegen durften mit einer bereits dort anzutreffenden Eigenständigkeit prahlen. Doch schon das sich daran anschließende Debüt ´Behind …´, einer der großen Klassiker, und seine beiden Nachfolger wollten den Erwartungen des Publikums nie nachkommen. MAYFAIR kamen zu keiner Zeit zum Stillstand, waren fortwährend auf der Suche nach neuen Weiten am musikalischen Horizont. Wenngleich die Musiker selber bis heute echte Metaller geblieben sind, ist ihre Musik einst in den ´The 90s´ aus allen gängigen Kategorien herausgeschossen. Auf ihrem Comeback ´Schlage mein Herz, schlage…´ vor zweieinhalb Jahren überraschten sie den Hörer abermals nicht nur durch den vermehrten Gebrauch deutscher Lyrik.

´My Ghosts Inside´ ist nun ein loses Konzeptalbum über all die positiven wie auch negativen Kräfte, die jeder Mensch sichtbar oder unsichtbar in sich trägt, geworden. Enorme Schwingungen, Gefühle und Emotionen werden dabei freigesetzt – und so klingt ´My Ghosts Inside´ selbstverständlich erneut anders als sein direkter Vorgänger. Die Zusammenarbeit mit Thomas „Cook“ Koch, der zuletzt bei ´Fastest Trip To Cyber-town´ zugegen war, und Sirius D. Raze bei den Aufnahmen zum neuen Werk hat sich hingegen hörbar ausgezahlt. Das Album klingt in sich geschlossen. Die innere Zusammengehörigkeit aller Lieder macht sich zudem dadurch bemerkbar, dass obgleich einige Lieder so abrupt enden und sich der Hörer in diesen noch ewig suhlen möchte, sogleich der nächste Song den Faden des Leitthemas weiterspinnt.

Der Opener ´Loss´ ist bereits viel zur kurz. Ewig könnte der Hörer den Schwingungen von Renés Gitarre lauschen, während Mario geradezu melodiös alte ´Behind´-Zeiten heraufbeschwört. Drums und Bass prügeln bei hoher Lautstärke erst gradlinig, später erbarmungslos ein, bis eine außerordentlich melancholische Melodie, die Mario ekstatisch in die Höhe treibt, das Band zwischen Hörer und Musik vorerst kappt. Die Stimmen zwischen Gut und Böse – in Deinem Kopf? in meinem Kopf? – scheinen im Titelsong, mit der ersten deutschen Textzeile, miteinander zu sprechen. Zudem erscheint der Gesang richtig dramatisch und böse. Der Bass pocht derweil im Herzrhythmus weiter. Das orientalisch angehauchte ´Desert´ treibt sodann alles Bisherige auf die Spitze – getragen, aber zielstrebig voranschreitend, gipfelt das Lied im böse grollenden Sprechgesang. ´Blinded By Your Light´ hat hingegen solch einen Groove und solch eine Melodie, die in dieser Art schon auf dem letzten Album Songs unaufdringlich im Glanze haben stehen lassen. Und Marios Gesang erschallt passend zur Inspiration von Shakespeares Sonetten derart lieblich. Diesmal wird zwar überwiegend in Englisch gesungen, wenngleich natürlich immer wieder deutsche Sätze äußerst kunstvoll eingeflochten werden oder wie in ´When Angels And Demons Meet´ gleichberechtigt nebeneinander existieren. Und gerade im letzten Drittel dieses Songs liefert Mario im Verbund mit der sich ebenfalls langsam schwindelerregend aufwallenden Bandstimmung vielleicht seine schönste Gesangsleistung, zudem in Deutsch, ab.

´Our Fire Starts Here´ dürfte der Beginn des zweites Aktes dieses Kunstwerks sein. Klingt dieser kleine, kurze Song augenblicklich nach magischer Musik aus einer längst vergessenen Epoche, überrollt das heftige ´Ghostrider´ alles vorherige Ansinnen. Dieser unbarmherzige Song endet trotzdem äußerst melancholisch, in der Hoffnung auf eine Wiederkehr der Liebe. ´Boom´ schielt anfangs etwas Richtung Americana, blüht jedoch einfach großartig in seiner Melodie, verstärkt durch das Eingreifen der Akustikgitarre, auf. Womöglich wird bald ganz Hellas hierzu Kalamatianos tanzen. Während ´Andermal´, mit heftigeren und gefühlvollen Abschnitten bestückt, hauptsächlich in Deutsch gesungen wird, schmettert Mario verschiedenste Gefühlsebenen heraus – eine unbeschreibliche Atmosphäre. Das heftige `Schrei es raus´ ist schließlich mörderisch hart und besitzt einen Groove, der nichts und niemanden unberührt lässt. Alles bewegt sich, alles dreht sich, solange bis ´Until We Meet Again´ den Kreis dieses Albums schließt. Ähnlich wie zuletzt in `Der Abschied´ lassen MAYFAIR den Hörer ruhig, allerdings rastlos sowie verstörend zurück.

Obwohl oftmals vorschnell die Worte „Klassiker, Klassiker“ in die Runde geworfen werden, bei `My Ghosts Inside´ werden diese Rufe weit schneller als üblich erschallen – und dies völlig zu Recht.

(9,5 Punkte)

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