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KILLING JOKE – Pylon

~ 2015 (Spinefarm Records) – Stil: Post-Punk/Wave/Industrial ~


„Ich bin mir sicher, dass wir ohne die Band alle zu Mördern geworden wären“, sagte Jaz Coleman jüngst in einem US-Interview. Und wer den Anführer der englischen Postpunk/Industrial-Rock-Legende KILLING JOKE schon einmal livehaftig auf der Bühne erlebt hat, wird diesen Satz nicht zwingend als Witz verstehen. Mit ‚Pylon‘ sind KILLING JOKE bei Album Nummer 15 angelangt. Es ist das dritte Studiowerk seit Paul Ravens Tod und der Wiedervereinigung im Original-Lineup von 1978. Leider ist es im Vergleich zu ‚Absolute Dissent‘ und ‚MMXII‘ auch das am wenigsten packende.

Der Grund ist in den Songlängen zu finden. Fünf von zehn Stücken der regulären Albumversion reißen die Sechs-Minuten-Marke, was beim ohnehin repetitiv angelegten Sound der Coleman-Bande auf Dauer zu einigen Ermüdungserscheinungen beim Hörer führt. Dabei sind die Melodien im schmissig-gehetzten Eröffner ‚Autonomous Zone‘, dem bedrohlich anschwellenden ‚New Cold War‘ und der herrlich fiesen Stampf-Nummer ‚New Jerusalem‘ eindringlich wie eh und je, auch die apokalypische Grundstimmung erzeugen KILLING JOKE wie keine zweite Band.

Auf die richtigen Donnerschläge muss man dieses Mal allerdings bis Song Nummer sieben warten. ‚Big Buzz‘ eröffnet das Finale mit einem hymnischen Refrain, der ins Stadion und/oder Kino gehört, danach zerlegen die säurespeienden ‚Delete‘ und ‚I Am The Virus‘ sämtliche Epigonen fachgerecht in ihre kümmerlichen Einzelteile, ehe Coleman fies grinsend auf der Kehrmaschine namens ‚Into The Unknown‘ durch die zerstörten Straßenzüge prescht.

Allen Fans sei dringend der Erwerb der ‚Pylon‘-Deluxe-Edition empfohlen. Die fünf Songs der Extra-Scheibe sind kein Bisschen schwächer als der reguläre Stoff, im Gegenteil: die Dymamik und der Abwechslungsreichtum von ‚Plague‘ und ‚Star Spangled‘ hätten dem Standard-Album sogar einen halben Zähler mehr beschert.

(7,5 Punkte)