Mit ihrem vierten Studioalbum ´Opus´ haben die Mailänder ADRAMELCH eine letztes luftiges Meisterwerk geschaffen. Das Aus unter dem bisherigen Banner ist beschlossene Sache, beim geplanten Aufbruch zu neuen musikalischen Ufern wurde der alte Name mehr als Ballast denn Bonus erachtet. Von unseren Gelben Seiten gibt’s zum Abschied den „Künstler des Monats“-Pokal – mit einem tränengetränkten Schleifchen aus schwarzglänzender Seide.

Kurze Zeitreise. „Der Begriff Adramelch stammt aus dem Hebräischen und wird zusammengesetzt aus den Worten AD (Herr, Meister), RA (böse, grausam) und MELCH (König)“, erklärte Sänger Vittorio Ballerio einst den Bandnamen. „Eine erste Übersetzung könnte lauten: Der König ist ein grausamer Meister. Aber da ist auch noch eine andere interessante Variation, ‚Gott ist ein grausamer König‘, die das Bild eines Tyrannen, rasend in seiner Allmächtigkeit, vermittelt.“

Rasend in ihrer Ohnmacht dürften ADRAMELCH angesichts der Ignoranz gewesen sein, mit der die italienische Musikpresse 1988 das Debütalbum ‚Irae Melanox‘ strafte. 1989 brach die Band auseinander, erst als sich über die Jahre ein regelrechter Kult um ‚Irae Melanox‘ entwickelte (woran ein norddeutscher Bootleg keinen unwesentlichen Anteil hatte), kamen erste Pläne einer Reunion auf.

2003 fand sich die Band wieder zusammen, zwei Jahre später erblickte ‚Broken History‘ das Licht der Welt, ein homogenes, dank zahlreicher Rückgriffe auf bereits komponiertes Material musikalisch an ‚Irae Melanox‘ anknüpfendes Konzeptwerk über die Kreuzzüge. Vittorios textliches Anliegen: „Kreuzritter werden als Befreier und Retter dargestellt, der Kreuzzug als Mission das Heilige Land zu befreien. Wir wissen alle, dass Geschichte immer vom Gewinner geschrieben wird, aber wenn wir das akzeptieren wie eine unabwendbare Verzerrung der Geschichte, dann trinken wir tausende Liter von Lügen. Die Kreuzzüge sind das dunkle Kapitel der Europäischen Geschichte – Abschlachten und unnütze Gewalt.“

 

Weniger metallisch, aber genauso überzeugend fiel 2012 ‚Lights From Oblivion‘ aus. ADRAMELCH hatten sich über die Jahre in eine kernige Progrock-Band verwandelt, deren feine Handschrift jederzeit klar erkennbar blieb. Melancholie mit Hymnencharakter, gekrönt von Vittorios unaufdringlich eindringlicher Stimme. Der Gig beim 2012er-„Keep It True“-Festival bleibt unvergessen.

Nun läuteten beim ‚Keep It True‘-Festival 2015 die Trauerglocken. Die Band, vertreten durch Vittorio, Fabio und Gual, stellte sich am Pure-Steel-Stand den Fans für Fragen und Autogramme zur Verfügung. Zuvor hatten ADRAMELCH auf der Bühne kurz erläutert, dass man den Anhängern aus Respekt kein andersartig klingendes Material unter dem Namen ADRAMELCH vorlegen wolle.

 

 

Bleibt ja noch ‚Opus‘ zu entdecken. Dieser zeitlos-grandiose Schwanengesang, soviel steht fest, wird ADRAMELCHs Platz in der Ruhmeshalle des progressiven Metals und Rocks zementieren. Tiefste Verneigung vor einer der unterbewertetsten Bands, die die elektrisch verstärkte Gitarrenmusik je hervorgebracht hat.

 

 

Diskografie:

1988: Irae Melanox
2005: Broken History
2012: Lights from Oblivion
2015: Opus