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WALTARI – You Are Waltari

~ 2015 (Rodeostar/SPV) – Stil: Crossover ~


Gibt’s die noch? Ja, die gibt’s noch! Sechs Jahre nach dem letzten Album ‚Below Zero‘ legen die seit 1986 aktiven Mischmasch-Pioniere aus Helsinki mit ‚You Are Waltari‘ Studioscheibe Nr. 13 vor. Die Besonderheit an diesem Werk: Chefkomponist und Frontmann Kärtsy Hatakka hat die 13 Songs mit verschiedenen Besetzungen aufgenommen, insgesamt war ein Kollektiv von zehn Musikern beteiligt, darunter auch Ur-Gitarrist Jariot Lehtinen und Dauerlächler Sami Yli-Sirniö (KREATOR). „Das führt zu größerer künstlerischer Mannigfaltigkeit, zu vielfältigerem Stil und zu variablerer Instrumentierung“, begründete Kärtsy die Maßnahme. Keine leeren Worte, wie die 51 Minuten Musik beweisen.

Längst geht es bei WALTARI nicht mehr darum, ihr Publikum auf Teufel komm raus vor den Kopf zu stoßen. Sämtliche Ketten sind gesprengt, die Genregrenzen durchlässig – was zählt für Kärtsy und seine Freunde, sind funktionierende, lebensbejahende Songs. Und von denen finden sich auf ‚You Are Waltari‘ genug, um der Band nach wie vor künstlerische Relevanz zuzubilligen. Das eröffnende ’12‘ sorgt mit DEVIN-TOWNSEND-Riffing und einem Refrain in bester BILLY-TALENT-Manier direkt für gute Laune, beim anschließenden ‚Tranquality‘ vermengen sich Metalcore und Rap mit melodisch-schmeichelnden Hooks und abgründigen NINE INCH NAILS-Passagen zu einem kaum nervenden Ganzen (was bei diesen Zutaten kein Leichtes ist). ‚Solutions‘ ist ein kompakt gehaltener (Euro)-Powermetal-Song, der mit seinem luftig-doppelstimmigem Refrain durchaus Hitpotenzial besitzt, der erste Gaga-Attacke reiten WALTARI danach mit ‚Only The Truth‘: Tribal-Uga-Uga, Electro-Beats, „Ohohoooh“-Chöre – wer’s mag…

Finnische Texte dürfen natürlich nicht fehlen auf einer WALTARI-Scheibe. ‚Maailma‘ ist der perfekte Song zum Cowboy-Kinderfasching, den am Abend auch die angetüdelten Eltern nochmal auflegen und mitpfeifen, mit ‚Strangled‘ wird die obligatorische Deathgrind-Nummer abgehakt. „Keep It Alive“ greift LACUNA COILs Cristina Scabbia von hinten heranwippend an die Schultern, gemeinsam wird bei ‚Singular‘ zu harten Beats und Ziehharmonika-Klängen das Haupthaar geschüttelt. Wer wissen will, wie OZZY-SABBATH im Crazy-Finnen-Kosmos klingen, findet bei ‚Not Much To Touch You‘ die Antwort, Freunde des ‚Mission-Impossible‘-Soundtracks kommen bei ‚Hyv oli-hyv oli‘ auf ihre Kosten – in finnischer Sprache, versteht sich.

Auch hinten raus lohnt sich’s, aufmerksam dranzubleiben. ‚Drag‘ lädt zum wilden Sauna-Nackttanz mit Hevydevy und Rob Zombie – der gnadenlos stumpfe Beat und die melodisch purzelnden Synthies setzen umgehend die interne Lichtorgel in Gang. Nach der Abkühlung durch „Televizor“, Kärtsys Akustikgitarren-Verbeugung vor Gordon Lightfoots Welthit ‚If You Could Read My Mind‘, folgt mit ‚Digging The Alien‘ zum Abschluss der offensichtlichste Hit der Scheibe, mit dem die Chancen im Rockradio nicht schlecht stehen sollten. WALTARI 2015 – alles beim Alten und trotzdem nicht schal. Darauf einen doppelten Salmiakki!

(7,5 springende Punkte)