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TRIPTYKON – Melana Chasmata

2014 (Prowling Death Records/Century Media) – Stil: Extrem-Metal


“Das Album ist sehr unreif, da es eigentlich eine Orgie des Hasses ist. Ich weiß, dass das nicht gerade männlich ist, aber die Songs sind vor, während und nach dem Zusammenbruch von CELTIC FROST entstanden (…) Natürlich möchte ich auf zukünftigen Alben von TRIPTYKON konstruktiver sein.“

So beschrieb Tom Gabriel Fischer das TRIPTYKON-Erstlingswerk ‚Eparistera Daimones‘ nach dessen Veröffentlichung im März 2010. Vier Jahre und eine EP später folgt mit ‚Melana Chasmata‘ (übersetzt: tiefe, dunkle Täler) nun das zweite abendfüllende Opus des Deutsch-Schweizerischen Konglomerats. Abermals umhüllt von einem fantastischen Artwork des Surrealisten H.R. Giger (‚Mordor VII‘ von 1975) ist das 68-minütige Album die Einlösung des Warrior’schen Versprechens.

Ja, ‚Melana Chasmata‘ klingt konstruktiver – im Sinne von songdienlicher – als sein Vorgänger, ohne auch nur ein Gramm an schwarzer Schwere und Intensität einzubüßen. Die Finsternis dringt dieses Mal subtiler durch die Poren, dafür ist der Eindruck umso nachhaltiger.

‚Tree Of Suffocating Souls‘ ist der perfekte Einstieg. Ähnlich konstruiert wie ‚Goetia‘ vom Vorgänger zieht einen das Grundriff des Achtminüters tentakelgleich hinab in die freudlose TRIPTYKON-Welt, wo der Geist von CELTIC FROST hörbar weitertobt. Wer wissen will, woher Mr. Warrior die Inspiration für den Songtitel genommen hat, der suche im Internet nach Jacques Callots Kupferstich „Der Galgenbaum“ von 1632. Erschreckender Realismus des Dreißigjährigen Krieges.

‚Boleskine House‘ hat seinen Titel vom gleichnamigen Haus des britischen Okkultisten Aleister Crowley, der dem (harten) Rock posthum schon unzählige Vorlagen geliefert hat. Musikalisch haben wir es hier mit dem dynamischsten Stück des Albums zu tun. Klares Arrangement, ein Wechsel zwischen kaum verzerrten Gitarren und brachialen Doomriffs, dazu der sphärische Gesang von Warriors langjähriger Kollegin Simone Vollenweider, fertig ist der todtraurige Hit, der auch Fans der verblichenen TYPE O NEGATIVE Seelenasyl bieten könnte.

‚Altar Of Deceit‘ wirft nach kurzem Intro die Knochenmühle an. Gnadenlos malmende Gitarren und Toms hasserfüllte Vocals zeugen vertonte Antimaterie. Und im Text wird’s persönlich: „I Shall Never See. My Children Smile. You Have Blinded Me. I Shall Never See. The Truth You Conceal.“ Wer Toms Geschichte kennt, weiß, wer gemeint sein dürfte. Das dunkle Herz des Metals schlägt auch mit 50 Jahren keine versöhnlichen Töne an.

‚Breathing‘ ist die Speed-Eruption des Albums. Wie in ‚A Thousand Lies‘ vom 2010er-Werk beschwören TRIPTYKON hier die alten HELLHAMMER- und frühen CELTIC FROST-Tage. Archaische Riffgewalt, atonale Soli. Und bei 3:25 das heißerwartete „Ugh!“. Ursprünglicher Titel des Songs sei ‚A Sky Of Extinguished Stars‘ gewesen, schreibt Tom in den Linernotes. Eine Metapher, die seinen emotionalen Zustand der vergangenen zwei Jahre perfekt beschreibe.

Perfekt platziert als Verschnaufpause ist „Aurorae“, laut Tom der „wichtigste Song des Albums“ und bereits 2002 als Urdemo geboren. Eine Reminiszenz an die Gothic-Szene der achtziger Jahre, morbid, melodisch. Ein letzter Lichtstrahl vor dem Abstieg in tiefste Tiefen.

‚Demon Pact‘ öffnet das Tor zur Hölle. Tribal-Drums, beklemmende Industrial-Atmospäre, das ist der Stoff, aus dem die Albträume sind. Wenn Tom ab 4:12 sein Glaubensbekenntnis spricht, erlöschen auch die letzten Kerzen. „Adora Deum Tuum, Creatorem Tuum. My Lord Redeemer, I Shall Deny You Entry Into My Mind.“

‚In The Sleep Of Death‘, die nächste Walze, ist auch insofern interessant, als Großteile der Musik vom zweiten Gitarristen und Backingvokalisten Viktor Bullok komponiert wurden, der das Album – wie schon den Erstling – herrlich natürlich produziert hat. Doomwände und Klargitarren erzeugen einen Sog, dem man sich nach ein paar Minuten willenlos ergibt. Bei der von Tom im Frost’schen Klagegesang beweinten „Emily“ handelt es sich im Übrigen um die englische Schriftstellerin Emily Brontë (1818-1848), mit der Herrn Fischer eine Seelenverwandschaft verbindet.

Und wir gehen noch tiefer. ‚Black Snow‘ bildet das Äquivalent zu ‚The Prolonging‘, dem 20-minütigen Abschlussmonster von ‚Eparistera Daimones‘. Zwar „nur“ zwölf Minuten lang, aber ebenso vernichtend. Musik am Anschlag des emotional Erträglichen. „Every Step I Take. Life Recedes. Under Stars Enthroned. Everlasting Night. And The Cold Prevails. Beneath. There Exists No Life Around Me. I Am Seeking My Reflection. I Resign To My Extinction. In This Ocean Of Black Snow.“ Durchhalten!

Denn es kommt ja noch ‚Waiting‘, der ruhige Abschluss von ‚Melana Chasmata‘. Im fahlen Licht der Melancholie dürfen Simone Vollenweider und Bassistin Vanja Slaih, die hier ihren überaus gelungenen Einstand als Sängerin gibt, von einem Dasein ohne Dämonen träumen, ehe ihnen das von Tom geflüsterte „I’m On My Knees. A Trace Of Blood. We Shall Be Free“ das Gift des Zweifel injiziert.

Besser? Schlechter? Auf Augenhöhe mit dem Vorgängeralbum und den Highlights des CELTIC-FROST-Katalogs? Fragen, die sich – sofern überhaupt von Belang – erst in ein paar Jahren beantworten werden lassen. Klar ist, dass wir es hier mit einem Werk zu tun haben, das mindestens 95 Prozent der dunklen (Metall)musik zu Staub zerfallen lässt. Die Höchstnote heben wir uns für einen der bereits konzipierten Nachfolger auf. Der Titel ‚Album des Jahres 2014‘ dürfte TRIPTYKON mit diesem zweiten Manifest nicht mehr zu nehmen sein.

(größtmögliche 9 Punkte)