PlattenkritikenPressfrisch

IHSAHN – Das Seelenbrechen

~ 2013 (Candlelight Recors) – Stil: Avantgarde Metal ~


Flirrender Beginn, mit mehr als nur bombastischen Tendenzen. IHSAHN ist mit seinem fünften Solowerk zurück und nie zuvor war er extravaganter und ausgefallener auf seinen musikalischen Pfaden unterwegs. Kurzer Break, doch der Bombast kommt in purer Orchestrierung wieder zurück. Am Anfang von `Regen` direkt hernach folgt eine ruhige Klaviereinlage mit Gesang, aber schon steigt die ganze Band mit ein und begleitet zudem mit hervorragendem Background-Gesang, der sich fast choralhaft steigert, den nun eher krächzenden Gesangsvortrag.

Von OPETH bis KING CRIMSON ist durchgehend alles möglich. Doch kein Song ist wie der vorhergehende und bis auf den kleinen Hit `Pulse` hat kein Song allem Anschein nach wiederkehrende Gesanglinien. Gleichwohl dieses Umstands wird man schon von der ersten Begegnung an mitgerissen und jeder Rhythmus, jeder – allen Liedern direkt inne wohnende – Groove nimmt nicht nur das Kleinhirn in Gefangenschaft. Von Chaos bis zu den lieblichsten Klängen kann sekündlich alles passieren. IHSAHN reißt alle Barrieren ein.

Totaler Wahnsinn erklingt noch am Anfang von `Tacit II`, nicht enden wollende Drum-Einsätze werden dann drone-mäßig von sirenenartigem Geheul abgelöst. Aber alles hat System, die überragende Backing-Band, die erneut aus den Musikern von LEPROUS besteht, scheint zu spielen, als ginge es um ihr Leben. Von Song zu Song nimmt der Wahnsinn immer mehr seinen Lauf, immer mehr Emotionen, immer mehr Irrsinn. `Rec` und `M` gönnen in der Mitte des Albums – in einer eher futuristischen Lagerfeuerromantik – eine kleine Verschnaufpause, aber immer wieder wollen die Drums weiter, es zieht sie weiter an einen anderen Ort. Von da an wird das Hörerlebnis von Sekunde zu Sekunde epischer und cineastischer. Von da an verweilen die Musiker vermehrt in ruhigen, aber nicht weniger ergreifenden Tonfolgen. Vermeintlich friedliche Industrial-Klänge und fauchender Gesang reißen den Hörer aus der Starre. Die Nerven sind unter allergrößter Anspannung, eine Atmosphäre zum Zerreißen. Die letzten zwei Songs benötigen konsequenterweise gar keinen Gesang mehr und wandern in experimentellen Pfaden, die sonst eher Bands wie BROTHER SUN, SISTER MOON vorbehalten sind.

IHSAHNs Fähigkeiten als Songwriter sind auf `Das Seelenbrechen` auf ihrem Höhepunkt angekommen. Ein unheimlich dynamisches Werk, das trotz vollends ausgeschöpfter Elemente, durchgehend perfekt und wie aus einem Guss durchläuft. Alles ist im Fluss. Von Anfang bis zum Ende. Alles hat einen Sinn. Vom ersten Ton bis zur letzten tonlosen Stille. Welch ein epochales Werk. Klassiker.

(10 Punkte)